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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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BRD zu steuern. Ihr Chef war der legendäre Generaloberst Markus Wolf. Er genoß selbst beim KGB Respekt, wo man sonst voll Verachtung auf die Nachrichtendienste der Satelliten herabsah. Markus (>Mischa<) Wolf waren ein paar spektakuläre Coups gegen die Westdeutschen gelungen, besonders als er Bundeskanzler Brandt einen DDR-Agenten direkt ins Nest setzte. Majorin Wanawskaja holte mit einem Anruf den Berliner Chef des Dritten Direktorats aus dem Bett und brachte ihr Verlangen vor, wobei sie General Schaljapins Namen fallen ließ. Das zeitigte die gewünschte Wirkung. Der Oberst sagte, er werde sehen, was er tun könne. Eine halbe Stunde später rief er zurück. »General Wolf«, sagte er, »ist anscheinend ein Frühaufsteher. Sie haben um sechs einen Termin in seinem Büro.«
    Um fünf Uhr an diesem Morgen beendete die Abteilung für Dekodierung in Cheltenham die Entschlüsselung einer Unmenge von Material, das sich in den vergangenen vierundzwanzig Stunden angehäuft hatte. In seiner Klartext-Form würde es über mehrere stark gesicherte Leitungen an verschiedene Empfänger übermittelt werden - einiges an den SIS im Century House, einiges an den MI-5 in der Curzon Street, anderes an das Verteidigungsministerium in Whitehall. Vieles würde zur Weitergabe kopiert werden - als eventuell von Interesse für zwei oder sogar alle drei dieser Stellen. Akutes Nachrichtenmaterial wurde viel schneller bearbeitet, aber die frühen Morgenstunden waren eine gute Zeit, um das zweitklassige Zeug nach London zu schaffen; die Leitungen waren weniger belegt.
    Unter dem Material befand sich auch eine Funkmeldung, die am Mittwochabend in Pullach an den BND-Mitarbeiter in der bundesdeutschen Botschaft abgesetzt worden war. Deutschland war und ist nach wie vor ein geschätzter und geachteter Bundesgenosse Großbritanniens. Es war nicht Ausdruck irgendeines Mißtrauens, daß Theltenham eine vertrauliche Nachricht von einem Verbündeten an seine eigene Botschaft abfing und entschlüsselte. Der Kode war einige Zeit vorher in aller Stille geknackt worden. Nicht böse gemeint, alles nur Routine. Diese spezielle Nachricht ging an den MI-5 und die NATO-Abteilung im Century House ab, die für sämtliche nachrichtendienstlichen Verbindungen zu Englands Verbündeten zuständig war, abgesehen von der CIA, für die es eine eigene Abteilung gab.
    Es war der Chef der NATO-Abteilung gewesen, der als erster Edwards darauf aufmerksam machte, daß McCready peinlicherweise einen Beamten des befreundeten BND als persönlichen Agenten führte. Trotzdem blieb der Chef der NATO-Abteilung auch weiterhin gut Freund mit McCready. Als er an diesem Vormittag um zehn Uhr die Funkmeldung aus Pullach sah, nahm er sich vor, seinen Freund Sam darauf aufmerksam zu machen. Man wußte ja nie. Aber das mußte aus Zeitmangel bis zum Mittag warten.
    Um sechs Uhr morgens wurde Majorin Wanawskaja in das Amtszimmer von Markus Wolf geführt, zwei Etagen über dem von Oberst Voß. Der DDR-Spionagechef hatte für Uniformen nichts übrig und trug einen gutgeschnittenen, dunkelgrauen Anzug. Er trank lieber Tee als Kaffee und ließ sich regelmäßig eine besonders gute Mischung aus dem Delikatessenparadies Fortnum and Mason in London schicken. Er bot der Sowjetmajorin eine Tasse an.
    »Genosse General, dieses in jüngerer Zeit aufgenommene Foto von Bruno Morenz - es kam von Ihnen.«
    Mischa Wolf betrachtete sie über den Rand seiner Teetasse hinweg. Er war nicht gesonnen, dieser fremden Person zu bestätigen, daß er in der Führungsschicht der BRD Spitzenleute als Agenten sitzen hatte.
    »Könnten Sie vielleicht eine Kopie von Morenz’ Lebenslauf beschaffen?« fragte sie. Markus Wolf ließ sich ihr Ersuchen durch den Kopf gehen.
    »Wofür möchten Sie die haben?« fragte er leise.
    Sie legte es ihm dar. Detailliert. Und brach dabei ein paar Regeln.
    »Ich weiß, es ist nicht mehr als eine Mutmaßung«, sagte sie. »Nichts Konkretes. So ein Gefühl, daß ein Glied in der Kette fehlt. Vielleicht etwas aus seiner Vergangenheit.«
    Wolf stimmte ihr zu. Eine unorthodoxe, assoziative Denkweise gefiel ihm immer. Einige seiner schönsten Erfolge hatte er einem instinktiven Gefühl, einer Ahnung, dem Verdacht zu verdanken gehabt, daß der Feind irgendwo einen wunden Punkt hatte, den es zu finden galt. Er stand auf, trat an einen Aktenschrank und zog einen dünnen Stapel von acht Blättern heraus. Es handelte sich um Bruno Morenz’ Lebensgeschichte. Aus Pullach, dasselbe Exemplar, das Lothar

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