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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Stasi-Hauptquartier in Lichtenberg. Um zehn Uhr.
    Um neun Uhr Londoner Zeit nahm McCready seinen Platz an dem Tisch im Konferenzsaal ein, eine Etage unter dem Chefbüro im Century House. Claudia Stuart saß ihm gegenüber und sah ihn vorwurfsvoll an. Chris Appleyard, der nach London geflogen war, um den sowjetischen Aufmarschplan persönlich nach Langley zu bringen, starrte rauchend zur Decke hinauf. Er schien sich zu sagen: Das ist eure Angelegenheit. Ihr Briten habt die Sache verpfuscht, jetzt bringt sie wieder in Ordnung. Timothy Edwards nahm den Platz am Tischende ein, sozusagen als Schiedsrichter. Es gab nur einen einzigen, unausgesprochenen Punkt auf der Tagesordnung: Schadensbewertung. Eine Schadensbegrenzung kam - falls überhaupt möglich - später. Niemand mußte über das, was geschehen war, ins Bild gesetzt werden; sie hatten alle das Dossier mit den abgehörten Funkmeldungen und die Lageberichte gelesen.
    »Schön«, sagte Edwards, »wie es aussieht, ist Ihr Mann, Poltergeist, aus dem Leim gegangen und hat das Unternehmen platzen lassen. Wollen wir mal sehen, ob wir noch etwas retten können.«
    »Warum zum Teufel haben Sie ihn hinübergeschickt, Sam?« fragte Claudia Stuart aufgebracht.
    »Weil ihr wolltet, daß ein Job erledigt wird«, antwortete McCready. »Weil ihr selber dazu nicht imstande wart. Weil es eilig war. Weil Pankratin auf mir persönlich bestanden hat. Weil Poltergeist der einzige akzeptable Ersatzmann war. Weil er bereit war, die Sache zu machen.«
    »Jetzt sieht es aber so aus«, sagte Appleyard in seinem gedehnten Amerikanisch, »daß er kurz zuvor seine Freundin, eine Nutte, umgebracht hat und bereits am Ende seiner Kraft war. Haben Sie ihm denn nichts angemerkt?«
    »Nein. Er wirkte auf mich nervös, aber doch beherrscht. Schwache Nerven sind etwas Normales - bis zu einem bestimmten Punkt. Er hat mir nichts von seinem privaten Schlamassel erzählt, und ich bin schließlich kein Hellseher.«
    »Das Verdammte daran ist«, sagte Claudia Stuart, »daß er Pankratin getroffen hat. Wenn die Stasi ihn erwischt und durch die Mangel dreht, wird er plaudern. Und ebenso haben wir Pankratin verloren. Und Gott allein weiß, wieviel Schaden seine Verhöre in der Lubjanka anrichten werden.«
    »Wo ist Pankratin jetzt?« fragte Edwards.
    »Nach meiner Zeitplanung steigt er ungefähr in diesem Augenblick in Potsdam in eine Militärmaschine, um nach Moskau zurückzufliegen.«
    »Können Sie ihm denn keine Warnung zukommen lassen?«
    »Verdammt noch mal, nein. Nach seiner Landung in Moskau nimmt er eine Woche Heimaturlaub, den er bei Freunden aus der Armee auf dem Land verbringt. Wir können ihm unseren Norwarn-Code erst zukommen lassen, wenn er nach Moskau zurückkehrt - falls es überhaupt noch dazu kommt.«
    »Was ist mit dem Aufmarschplan?« wollte Edwards wissen.
    »Ich denke, den hat Poltergeist bei sich«, sagte McCready.
    Alle blickten ihn aufmerksam an. Appleyard hörte zu rauchen auf.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Wegen des Zeitablaufs«, sagte McCready. »Das Treffen war um zwölf. Nehmen wir an, er fuhr gegen zwölf Uhr zwanzig von dem Parkplatz weg. Der Unfall war um halb eins. Das war zehn Minuten später und acht Kilometer entfernt auf der anderen Seite von Jena. Ich denke, wenn er das Buch in dem Hohlraum unter der Batterie verstaut hätte, hätte er die Strafe wegen Trunkenheit am Steuer angenommen, die Nacht in einer Zelle abgesessen und die Geldstrafe bezahlt. Es spricht einiges dafür, daß die Vopos den Wagen gar nicht gefilzt hätten.
    Wenn sich das Buch in dem BMW befunden hätte, hätte man nach meiner Meinung den abgefangenen Funkmeldungen etwas von der Hochstimmung bei der Polizei entnehmen können. Die Stasi wäre binnen Minuten, nicht nach zwei Stunden zugezogen worden. Ich denke, er hatte es bei sich, unter seinem Sakko vielleicht. Das war der Grund, warum er nicht aufs Polizeirevier konnte. Man hätte ihm für die Blutprobe das Sakko ausgezogen. Deswegen ist er getürmt.«
    Mehrere Minuten lang herrschte Schweigen.
    »Jetzt hängt alles von Poltergeist ab«, sagte Edwards. Obwohl Morenz’ richtiger Name mittlerweile allen bekannt war, zog man es vor, seinen Decknamen zu benutzen. »Er muß irgendwo sein. Wohin könnte er sich gewandt haben? Hat er dort in der Gegend Freunde? Einen Unterschlupf? Irgendwas?«
    McCready schüttelte den Kopf.
    »In Ost-Berlin gibt es einen Unterschlupf. Er kennt ihn von früher. Ich hab’s dort versucht. Kein Kontakt. Im Süden der DDR

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