McCreadys Doppelspiel
flammte der rechts von ihnen auf. Die beiden Männer in ihren grünen Tarnkitteln erstarrten und drückten die Gesichter auf den Boden. Beide hatten sich Gesicht und Hände geschwärzt, Siegfried mit Schuhcreme, McCready mit verbranntem Kork, der sich leichter abwaschen ließ, wenn er drüben auf der anderen Seite war.
Der bleiche Lichtkegel des Scheinwerfers breitete sich über sie, verharrte, schwenkte zurück und erlosch. Acht Meter weiter entdeckte Siegfried einen Stolperdraht und machte McCready ein Zeichen, um ihn herumzukriechen. Nach weiteren dreißig Metern erreichten sie das Minenfeld. Hier standen die Disteln und Grashalme brusthoch. Niemand wagte es, hier zu pflügen.
Der Deutsche blickte zurück. Hoch über den Bäumen konnte McCready den weißen Felsen erkennen: Ein fahler Fleck hob sich vor dem dunklen Fichtenwald ab. Siegfried drehte den Kopf und schätzte die relative Position der Riesenkiefer gegen den Felsen ab. Er war sieben Meter rechts von seinem Weg. Wieder begann er zu kriechen, den Rand des Minenfelds entlang. Dann stoppte er und tastete vorsichtig zwischen den hohen Grashalmen umher. Nach zwei Minuten hörte McCready ein triumphierendes Zischen aus Siegfrieds Mund. Er hielt zwischen Zeigefinger und Daumen eine dünne Angelschnur. Vorsichtig zog er daran. Wenn sie am anderen Ende nicht festgemacht war, mußte die Mission abgebrochen werden. Aber die Schnur spannte sich und blieb straff. »Folgen Sie der Schnur«, wisperte Siegfried. »Sie führt Sie durch das Minenfeld zu der Vertiefung unter dem Draht. Der Pfad ist nur einen guten halben Meter breit. Wann kommen Sie zurück?«
»In vierundzwanzig Stunden«, sagte McCready. »Oder in achtundvierzig. Wenn ich dann noch nicht da bin - vergiß es. Dann komme ich nicht mehr. Ich werde mit meiner Minitaschenlampe von dem großen Baum aus blinken, bevor ich mich auf den Weg mache. Sorg dafür, daß ich durch den Zaun komme.«
Er robbte in das Minenfeld, von den hohen Gräsern nicht ganz abgeschirmt. Siegfried ließ den Suchscheinwerfer ein letztes Mal über sich hinwegstreichen und kroch dann in Richtung Westen zurück.
McCready robbte durch das verminte Feld, dem Nylonfaden folgend. Hin und wieder prüfte er, ob die Schnur noch straff gespannt war. Er wußte, daß er die Minen nicht würde sehen können. Hier gab es keine großen Tellerminen, die einen Lastwagen in die Luft schleudern konnten. Hier wurden kleine Tretminen aus Kunststoff verwendet, nicht aufspürbar für Metalldetektoren, mit denen es DDR-Flüchtlinge schon vergebens versucht hatten. Die Minen waren vergraben und reagierten auf Druck. Sie explodierten nicht, wenn ein Kaninchen oder ein Fuchs darüber weghuschte, wohl aber, wenn ein Mensch darauf trat. In vielen Fällen führten sie nicht zu einem raschen Tod, sondern der schwer verletzte Flüchtling schrie die ganze Nacht hindurch vor Schmerzen, bis nach Sonnenaufgang die Vopos mit Führern kamen, um die Leiche wegzuschaffen.
McCready sah vor sich die Rollen aus rasiermesserscharfem Draht, die das Ende des Minenfeld markierten. Die Angelschnur leitete ihn zu einer Vertiefung, die unter dem Drahtverhau durchführte. Er drehte sich auf den Rücken und schob sich mit den Fersen vorwärts. Zentimeter um Zentimeter rutschte er unter den Drahtrollen durch.
Acht Meter mußte er sich darunter durcharbeiten. Als er auf der östlichen Seite den Drahtverhau hinter sich hatte, fand er die Nylonschnur an einem kleinen Pflock befestigt, der gerade noch in der Erde steckte. Wenn er noch einmal an der Schnur gezogen hätte, hätte er den Pflock aus dem Boden gerissen, und das ganze Unternehmen wäre gescheitert. Er steckte den Pflock wieder fest und tarnte ihn mit einer dicken Schicht Kiefernnadeln, merkte sich die Stelle direkt vor der riesigen Kiefer, orientierte sich an seinem Kompaß und kroch weiter.
Er kroch in einem Winkel von 90 Grad davon, bis er zu einem Feldweg kam. Hier zog er seinen Kittel aus, rollte ihn um den Kompaß zu einem Bündel zusammen und versteckte alles zehn Meter tief im Wald unter einem Haufen Kiefernzweige. Am Rand des Feldwegs brach er oberhalb seines Kopfes einen kleinen Ast halb ab, so daß er nach unten hing. Außer ihm würde niemand etwas davon bemerken.
Auf dem Rückweg mußte er den Feldweg, den herabhängenden Ast und den Kittel mit dem Kompaß finden. Ein Winkel von 270 Grad würde ihn zu der riesigen Kiefer zurückführen. Er ging davon, in östlicher Richtung. Im Gehen merkte er sich als
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