Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
Vom Netzwerk:
Minitaschenlampe im Dunkel da. Als er sich orientiert hatte, begann er sich in östlicher Richtung durch den Fichtenwald voran zuarbeiten. McCready folgte ihm.
    Viele Stunden vorher hatte Majorin Wanawskaja Oberst Voß in seinem Amtszimmer aufgesucht.
    »Nach den Aussagen seiner Schwester gibt es eine Möglichkeit, wo er sich in der Gegend von Weimar verstecken könnte.«
    Sie berichtete, daß Bruno Morenz während des Kriegs aufs Land evakuiert worden war.
    »Ein Bauernhof?« sagte Voß. »Aber welcher? In dieser Gegend gibt es Hunderte von Bauernhöfen.«
    »Sie wußte den Namen nicht. Nur daß er keine fünfzehn Kilometer von Weimar selbst entfernt ist. Lassen Sie einen Ring bilden, Oberst. Holen Sie genügend Soldaten. Dann werden Sie ihn noch heute erwischen.«
    Oberst Voß rief die Abteilung XIII an, den Nachrichten- und Sicherheitsdienst der Nationalen Volksarmee, NVA. Da die gesamte Operation nun Minister Erich Mielke selbst unterstand, regte sich kein Widerspruch. Draußen in Karlshorst klingelten die Telefone im Hauptquartier der NVA, und noch vor Tagesanbruch rollten die ersten Lastwagen nach Süden, in Richtung Weimar.
    »Der Ring ist gebildet«, sagte Voß um Mitternacht. »Die Soldaten werden von Weimar als Ausgangspunkt sektorenweise ausschwärmen. Sie werden jeden Bauernhof, jeden Kuhstall, jede Scheune und jeden Schweinestall durchsuchen, bis sie den Fünfzehn-Kilometer-Umkreis erreicht haben. Ich hoffe nur, daß Sie richtig liegen, Majorin. Das ist eine Riesenoperation.«
    In den frühen Morgenstunden fuhr er in seinem Privatwagen nach Süden. Majorin Wanawskaja begleitete ihn. Die Suchaktion sollte im Morgengrauen beginnen.

6
     
Sonnabend
    Siegfried lag am Waldrand auf dem Bauch und betrachtete die dunklen Konturen des Waldes, 300 Meter weit entfernt, wo das Territorium der DDR begann. McCready lag neben ihm.
    Fünf Jahre vorher hatte Siegfried, ebenfalls in der Dunkelheit, von einer besonders hohen Kiefer auf der östlichen Seite aus seinen Schleichpfad an einem schimmernden weißen Felsen an einer Hügelflanke auf der westlichen Seite ausgerichtet. Sein Problem war jetzt: Er hatte nicht ahnen können, daß er den Weg jemals in der anderen Richtung nehmen müßte. Jetzt war der Felsen hoch über ihm, von den Bäumen verdeckt. Zu sehen war er nur aus einer Position weiter draußen im Niemandsland. Er schätzte den Winkel ab, so gut er konnte, kroch über die letzten neun Meter bundesdeutschen Bodens bis zum Maschendrahtzaun und begann leise mit einer Drahtschere daran zu arbeiten.
    Als Siegfried das Loch fertig hatte, sah McCready, wie der junge Mann einen Arm hob und ihm winkte. Nun kroch auch McCready aus der Deckung auf den Zaun zu. Er hatte die Wartezeit damit verbracht, die DDR-Wachttürme zu beobachten, um zu sehen, wie weit die Suchscheinwerfer reichten. Siegfried hatte die Stelle gut ausgesucht - auf halbem Weg zwischen zwei Wachttürmen. Ein günstiger Umstand kam noch hinzu: Während des Sommers waren mehrere Äste der Fichten ein, zwei Meter weit auf das Minenfeld hinausgewachsen; zumindest einer der Suchscheinwerfer war dadurch teilweise blockiert.
    Der andere Suchscheinwerfer war in seiner Wirkung nicht behindert, aber der Mann, der ihn bediente, mußte müde oder gelangweilt sein, denn der Scheinwerfer flammte oft minutenlang nicht auf. Wenn er sich dann wieder meldete, leuchtete er jedesmal zuerst in die andere Richtung. Dann schwenkte er auf sie zu, wieder zurück und ging aus. Wenn der Mann, der ihn bediente, das so beibehielt, hatten sie ein paar Sekunden Vorwarnzeit gewonnen.
    Siegfried machte eine Kopfbewegung und kroch durch das Loch im Zaun. McCready folgte ihm und zog seinen Jutesack hinter sich her. Der Deutsche drehte sich um und bog die durchgeschnittenen Eisenmaschen wieder zurecht. Das Loch war nur aus nächster Nähe zu bemerken, und die Grenzpolizisten überquerten nie den Todesstreifen, um den Zaun zu kontrollieren, es sei denn, sie hätten eine Beschädigung bemerkt. Auch sie hatten für die Minenfelder nicht viel übrig.
    Es war verlockend, den achtzig Meter breiten, gepflügten Streifen, der jetzt mit dem hochwachsenden Kraut von Rüben, mit Disteln und Brennesseln bewachsen war, rennend zu überqueren. Aber es war möglich, daß über den Boden Stolperdrähte, verbunden mit Alarmvorrichtungen, gespannt waren. Kriechen war sicherer. Sie begannen zu robben. Auf der ersten Hälfte des Weges wurden sie durch Bäume vor dem Scheinwerfer von links gedeckt, aber jetzt

Weitere Kostenlose Bücher