Meade Glenn
Penthousesuite im Hilton hatte man einen ungehinderten Blick auf die Berge auf der anderen Seite der Stadt. Es war ein kalter, klarer Neujahrstag in Madrid, und die beiden Männer saßen am Fenster. Es gab an dieser Seite des Hotels keine Häuser, von denen aus man das Penthouse hätte beobachten können, und die Männer hatten alle denkbaren Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, bevor sie hier abgestiegen waren.
Der jüngere der beiden mochte Anfang Dreißig sein, war schlank und wirkte durchtrainiert. Er hatte den Aktenkoffer geöffnet und einen Stapel Unterlagen auf den Couchtisch vor sich gelegt.
Der zweite Mann war Anfang Fünfzig. Sein gebräuntes Gesicht wirkte abgezehrt und müde, nachdem er fast zwei Tage lang nicht geschlafen hatte. Im Hotel war er unter dem Namen Frederico Ramirez gemeldet, aber der Mann hatte in den beiden letzten Tagen auf dem Flug von Asunción hierher zweimal den Reisepaß und die Tickets gewechselt.
Er verschwendete keine Zeit auf Small Talk und bot seinem jüngeren Gesprächspartner auch nichts zu trinken an.
»Haben Sie die neuesten Zahlen über die Verhaftungen und Festnahmen?«
Der Jüngere blickte kurz in seine Aufzeichnungen, dann antwortete er: »Wir schätzen die Zahl auf dreihundertfünfzig bis gestern um Mitternacht.«
Das Gesicht des älteren Mannes verriet keine Emotionen, als sein Besucher diese Zahlen nannte.
»Aber die Lage ist noch nicht übersehbar, und die Zahlen können noch steigen; wie weit, das wissen wir nicht. Abgesehen von denen auf der Liste, nehmen die Behörden einfach alle mit entsprechender Vergangenheit erst einmal fest und quetschen sie aus. Viele werden wieder freigelassen, wenn keine Anklagen erhoben werden können. – Schließlich ist Deutschland ein Rechts-staat«, fügte der Jüngere mit einem zynischen Grinsen hinzu.
»Und die Zellen? Wie halten die sich?« fragte der grauhaarige Mann ungeduldig.
»Im Osten sind sie noch ziemlich intakt, in den anderen drei Himmelsrichtungen jedoch schwer angeschlagen. Trotzdem ist der Schaden nicht katastrophal. Wir haben noch Glück gehabt.«
Der grauhaarige Mann stand auf. »Glück?« fragte er scharf.
»Was ist da passiert, Raul? Wie, zum Teufel, konnte es scheitern? Wir waren so dicht dran!« Er hielt Daumen und Zeigefinger kaum einen Millimeter auseinander.
Der Jüngere seufzte und sah seinen Vorgesetzten an. »Sie haben den vorläufigen Bericht aus Asunción bekommen. Ich fürchte, mehr können wir im Augenblick nicht tun. Während der nächsten Tage dürften wir allerdings ein klareres Bild gewinnen.
Das Pärchen, Volkmann und Kranz, sind offensichtlich die Hauptverantwortlichen.«
Der junge Mann zögerte und beugte sich vor. »Allerdings hat die ganze Sache auch etwas Positives. Etwas, das nicht in dem Bericht steht. Ich wollte es ihnen persönlich mitteilen.«
»Und was soll das sein?«
»Viele unserer Anhänger haben nicht geglaubt, daß wir es wirklich versuchen würden. Nun, da sie es mit eigenen Augen gesehen haben, sind sie um so entschlossener weiterzumachen.«
Er beugte sich eifrig vor. »Wir haben diesmal zwar keinen Erfolg gehabt, aber nächstes Mal sind wir besser vorbereitet.
Wir haben aus unseren Fehlern gelernt. Sie wissen selbst, daß die westlichen Demokratien ihre Probleme nicht in den Griff bekommen. Das Nationalitätenproblem, Arbeitslosigkeit, Rezession. Sie schwanken schon. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann wir es erneut versuchen können.«
»Wie lautet die Schätzung?«
Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Ich kann Ihnen keine genauen Zahlen nennen. Jetzt noch nicht. Aber in der Zwischenzeit machen wir weiter und versuchen, unsere Position zu stärken.«
»Kann ich das nach Asunción melden?«
»Absolut. Sie wissen, daß wir die Mittel dafür haben. Es ist wirklich nur eine Frage der Zeit.«
Der grauhaarige Mann zündete sich eine Zigarette an.
»Wissen wir, was mit Schmeltz’ Leiche passiert ist?«
»Er wurde vor fünf Tagen eingeäschert und in einem Wald in der Nähe der polnischen Grenze beigesetzt.«
Der grauhaarige Mann seufzte. »Wie haben Volkmann und die Kranz es rausgekriegt?«
»Ein halbverbranntes Foto von Geli Raubal, das sie in dem Haus im Chaco gefunden haben, war ihr erster Anhaltspunkt.
Das und der Mord an dem Journalisten.« Der junge Mann warf seinem Vorgesetzen einen verschlagenen Blick zu. »Wollen Sie, daß wir uns um die beiden … kümmern?«
Der Grauhaarige dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf. »Noch nicht, Raul. Aber
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