Meagan McKinney
über.
Margaret
knickste ebenso verlegen und eilte aus dem Zimmer.
Als Alana
sich entschlossen hatte, am Sheridan Ball teilzunehmen, hatte sie nicht einmal
über die Tatsache nachgedacht, daß Mara Sheridan Irin war. Sie hatte die
Sechzehnjährige an einem Abend im vergangenen Herbst im Central Park kennengelernt
und auf Anhieb sympathisch gefunden. Sie war ihr aufgefallen, weil das Mädchen
in ihrem schicken Zweispänner am Rande des Parks angehalten und öffentlich den
Kutscher einer Mietdroschke beschimpft hatte, weil er sein Pferd mißhandelte.
Dann kam
die Einladung zu ihrem Debüt, und Alana sah darin nichts weiter als eine
weitere gesellschaftliche Verpflichtung. Sie wußte nur wenig über Miss
Sheridan, aber auf dem kurzen Stück, das sie gemeinsam auf der Promenade
entlangspaziert waren, hatte sie sie als herzerfrischend unschuldig und
liebenswert kennengelernt. Was im krassen Gegensatz zu dem stand, was Alana
über Maras Bruder gehört hatte.
Trevor
Sheridan war das Gesprächsthema in New York. Man erzählte sich, daß er einer
von diesen reichen, vulgären Emporkömmlingen war, die in ihrer Hast und ihrer
Gier nach immer mehr Geld jeden niedertrampelten, der sich ihnen in den Weg
stellte. In Alanas Umfeld war niemals ein gutes Wort über Mara Sheridans Bruder
gefallen, aber Alana wußte nur zu gut,daß die Knickerbocker-Kreise 1 alles andere als ein Wohltätigkeitsverein waren.
Alana
verzog spöttisch den Mund.O nein, es war sicher nicht Wohltätigkeit, die den
Vierhundert 2 am meisten am Herzen lag. Vielmehr war es Exklusivität. Und Alana wußte es
besser als jede andere. Mrs. Astor trug eben diese wie einen Schild vor sich
her, der sie vor dem schützen sollte, was »untragbar« war. Es war die Ironie
des Schicksals, aber wüßte New Yorks despotische große Dame der Gesellschaft
von dem Geheimnis der ruhmreichen van Alens, würde sie entsetzt feststellen
müssen, daß sie genau das an ihrem Busen genährt hatte, was sie am meisten
fürchtete – einen Skandal. Einen vulgären, schmierigen Skandal!
Aber um
sich und vor allem die zu schützen, die sie liebte, spielte Alana das Spiel
mit. Und in vieler Hinsicht fiel es ihr nicht schwer. Mit ihrem Knickerbocker-Erbe,
das sich bis auf Petrus Stuyvesant persönlich zurückverfolgen ließ, war Alice
Diana van Alen das Juwel in der Krone des besseren New York. Aber Alana wußte,
daß sie nur ein Kind war, das verzweifelt Theater spielte, bis die Fassade des
edlen Stammbaumes heruntergerissen wurde.
Unwillkürlich
glitt ihr Blick auf das mit rotem Samt gerahmte Bild ihrer Schwester, das sie
neben ihrem Bett aufgestellt hatte. Während sie es anstarrte, überkam sie eine
unerklärliche Angst. Sie haßte dieses Spiel der Gesellschaft, haßte es so sehr,
daß sie am liebsten schreiend davongelaufen wäre. Ihr Leben war eine Lüge. Sie
verkehrte mit denen, die sie als erstes verstoßen würden, wüßten sie die
Wahrheit über sie und ihre Familie.
Wieder
verharrte Alanas Blick auf dem Bild ihrer Schwester. Sie spielte dieses Spiel,
um sie zu schützen. Aber selbst, wenn sie das Opfer auf sich genommen hatte,
gab es schließlich irgendwo eine Grenze.
Alanas
Gedanken kehrten zu dem bevorstehenden Ball zurück. Sie war sich darüber im
klaren, daß Mrs. Astor und die anderen Mitglieder der feinen Gesellschaft das
heutige Ereignis nicht einfach deswegen boykottierten, weil sie Mara Sheridans
Bruder nicht mochten. Wahrscheinlich hatte keiner von ihnen Trevor Sheridan je
kennengelernt. Alana zumindest war ihm nie begegnet. Der wahre Grund lag vielmehr
in dem verabscheuungswürdigen Makel, den Margaret eben erwähnt hatte. Sie waren
irischer Herkunft. Gut genug vielleicht, die Nachttöpfe zu schrubben oder
ihrem Herrn die Zügel zu überlassen, wollte er seine Kutsche selbst über die
Harlem Lane führen. Aber sicher nicht gut genug, um mit ihnen auf gleicher Ebene
zu verkehren.
Alana
betrachtete ihr Spiegelbild. Das gelbe Atlaskleid war genau richtig für das
Debüt eines jungen Mädchens. Die Perlenketten um ihren Hals waren kostbar, aber
dezent. Mrs. Astor wäre stolz auf ihr Aussehen gewesen. Und entsetzt! Der Matrone
war das Gerücht zu Ohren gekommen, daß Alana an dem Ball teilnehmen wollte, und
beim letzten Zusammentreffen hatte sie ihr sehr deutlich gemacht, daß sie
erwartete, Alana würde heute abend zu Hause bleiben. Nun hielt die
Gesellschaft den Atem an und wartete, ob Alana sich Mrs. Astor widersetzen
würde. Alana warf noch einen letzten Blick in
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