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Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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Schluck von seinem Proteinshake. Grinsend registrierte er Leons obligatorisch, angeekeltes Schütteln und musterte ihn nachdenklich. Er wäre bestimmt auch ein guter Läufer. Flache, überwiegend Slow-twitch-Muskeln, relativ groß ein idealer Sportler. Kai vermied es jedoch tunlichst, Leon auf seine Statur anzusprechen. Er hatte noch zu gut in Erinnerung, wie dieser darauf reagierte. Außerdem rutschte ihm dabei womöglich eine andere unpassende Bemerkung darüber heraus. Er kannte seine schnelle Zunge zur Genüge.
    „Das ist der Triathlon schlechthin. Die Hölle auf Erden! Der schwerste überhaupt. Er findet in Hawaii statt, und dort einmal ins Ziel zu laufen, ist das genialste, was man sich vorstellen kann. Der Himmel auf Erden“, schwärmte er. „Das ist der Traum eines jeden Extremsportlers. Wie die Ersteigung des Mount Everest.“
    „Klingt mehr nach Sonne und Urlaub.“ Leon grinste und ergänzte: „Hawaii und so.“ Kai schnaubte empört: „Gnadenlose Hitze, extrem hohe Luftfeuchtigkeit, die Sonne brennt dir dein Gehirn raus, das Wasser ist pi-warm. Hast du schon mal im Wasser geschwitzt? Ja, klar, voll der Urlaub, für so einen Hinterwäldler wie dich.“ Seine Grimasse nahm den Worten jede Schärfe.
    „Du scheinst es ja zu mögen“, gab Leon feixend zurück. „Völlig verrückt, wenn du mich fragst. Aber bestimmt besser, als dieser elendige Winter.“ Seine Hände umklammerten die Tasse fest, als ob er sich an ihr aufwärmen wollte. „Heute Morgen ist sogar der blöde Trecker nicht angesprungen und ich durfte das ganze Stroh mit der Karre durch den meterhohen Schnee schaffen.“ Seufzend nahm er einen Schluck Tees. „Mein Vater ist voll genervt, weil bei dem Wetter auch kaum jemand zum Unterricht kommen mag. Keiner friert sich gerne den Hintern ab.“ Kai konnte nicht umhin, bei dem Gedanken an Leons Vater leichten Unmut zu fühlen, ließ sich aber nichts anmerken. Leon fuhr fort: „Ich finde es, ehrlich gesagt, gerade nicht schlecht. Ist auch so genug Arbeit und ich hab mal etwas mehr Zeit und muss nicht dauern unterrichten.“
    „Macht dir das denn keinen Spaß?“, fragte Kai interessiert nach. „Doch, doch“, versicherte Leon hastig, als ob ihn Kai bei etwas ertappt hätte. „Ich arbeite gerne mit den Kiddies. Die sind klasse. Macht schon Spaß.“ Zögernd betrachtete er die Tasse in seiner Hand. „Nur manchmal hätte ich gerne etwas mehr Zeit, um mal was mit … anderen … Freunden zu machen.“ Sein Stocken irritierte Kai, doch Leon fuhr schon fort: „Aber seit mein Bruder in der Lehre ist, muss jeder mehr anpacken.“ Es klang beinahe auswendig gelernt. Er blickte zu Kai, lächelte und legte den Kopf dabei etwas schief. Eine Geste, die Kai unglaublich einnehmend fand. Wie fast alles an Leon.
    „Bodo lernt bei der Agrargenossenschaft. Mistet jetzt jeden Morgen Schweineställe statt Pferdeboxen aus.“ Leon kicherte. „Was für eine Verbesserung.“ Seufzend nahm er einen Schluck. „Naja, nicht dass ich so wahnsinnig viele Freunde hätte, oder man bei uns viel unternehmen könnte.“ Er zuckte mit den Schultern und senkte den Blick.
    „Hast du keine Freunde, die auch reiten?“ Kais Freunde und Bekannte stammten aus dem Sportbereich, waren Läufer, Mountainbiker, Crossfahrer; die meisten, wie er, auch Extremsportler. „Nee. Die haben alle mit Pferden nichts am Hut. Ist für die eher ein Mädchensport.“ Leon schüttelte den Kopf. „In meiner Klasse bin ich der Einzige, der reitet.“ Ein beinahe schmerzlicher Ausdruck huschte über seine Züge, so kurz, dass sich Kai nicht sicher war, ihn wirklich gesehen zu haben. Zurück blieb das Gefühl, dass Leon ziemlich einsam war.
    „Morgen habe ich übrigens wieder Schule“, sagte er leise und blickte Kai entschuldigend an. Dieser zuckte zusammen und konnte seine Enttäuschung kaum verbergen. Das Fahrrad war bereits wieder repariert, aber etwas hatte Kai daran gehindert, Leon abzusagen, auch wenn er ein schlechtes Gewissen hatte. Er würde es vermissen, wenn dieser nicht mehr kommen würde. Auf ihre gemeinsame Fahrt nach Lulu zu verzichten, versetzte ihm einen schmerzhaften Stich. Es war die einzige Möglichkeit gewesen, Zeit mit ihm zu verbringen. Mann, er ist hetero. Viel zu jung und überhaupt. Trotzdem ...  
    „Dann kann ich dich leider nicht mehr fahren“, ergänzte Leon vorsichtig. „Tut mir leid.“ Die Stimme klang wirklich bedauernd, sodass Kai ihn nun direkt ansah. Leon senkte sofort den Blick. Kai hatte den Eindruck,

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