Mecklenburger Winter
Zumindest nicht, wenn man es – Kai begann das Wort zu hassen- vernünftig betrachtete.
Leon schnaubte ärgerlich und erhob sich. Kai folgte ihm in den Flur.
„Ja, wenn ich Schleifen und Pokale hole, findet er es toll, dann tut er so, als ob er mich auch klasse findet. Aber wehe, es klappt mal nicht, dann ist er sauer und macht mich an.“ Leon seufzte tief, ein Laut, der Kai durch Mark und Bein ging, ihn zwanghaft dazu bringen wollte, ihn an sich zu ziehen. Ja, klar, darauf steht er, in den Arm genommen zu werden, wie ein Kind. Mann, er ist achtzehn, tut zumindest erwachsen und scheiße ja, er ist viel zu sexy, um ihn ohne jeden Hintergedanken in den Arm zu nehmen. Doch selbst Kais Ironie vermochte den Kloß im Hals nicht zu vertreiben. Leon klang viel zu resigniert und enttäuscht.
Er band sich seine Schuhe und richtete sich auf. Sein Gesicht war angespannt, der lockere Zug um seinen Mund verschwunden, das freche Glitzern fort, welches Kai den Tag versüßt hatte. Vor ihm stand der unsichere Leon wie ein verängstigter Hase. Daran änderte auch sein Bartschatten nichts. Mit Nachdruck stopfte Leon seine Hände in die Taschen.
„Ich kann ihm nie etwas recht machen. Manchmal glaube ich ...“, er hob den Kopf, sein Blick ging jedoch über Kais Schulter hinweg, „... er mag mich eben nicht. Vielleicht … hasst er mich sogar. Egal was ich tue, ich kann nie erreichen, dass er mich einfach akzeptiert, wie ich bin. Ich bin nicht sein Wunschsohn. Wie Bodo bin ich aber nun mal nicht und bei dem ist er auch enttäuscht, weil der mit den Pferden nichts am Hut hat.“
„Vielleicht kann er nur seine Gefühle nicht offen zeigen?“, wagte Kai einen aberwitzigen Vorstoß zur Rettung von Burghardts Ehre. Er hatte das dringende Bedürfnis, sich den Mund auszuwaschen. Was tue ich hier bloß? Ich kann den Kerl nicht leiden, dennoch versuche ich, Leon einzureden, dass sein Vater gar nicht so schlimm ist? Idiot. Kai gab sich innerlich eine Ohrfeige. Aber sollte er Leon wirklich sagen, was er von dessen Erzeuger hielt? Nein, es war so schon schwer genug für diesen.
Leon dachte über seine Worte nach und nickte bedächtig.
„Das stimmt wohl“, gab er leise zu. „Er zeigt nie, ob er sich freut oder traurig ist. Nur mit Mutter, da ist er anders.“
Immerhin liebt der Arsch also seine Frau, zischte Kais innerer Burghardtfeind zähneknirschend. Wieso seinen Sohn nicht auf dieselbe Art? Sollten Eltern ihre Kinder nicht so lieben, wie sie sind? Kai verzog den Mund. In der Realität eines schwulen Jungen sah es oft genug anders aus, davon konnte er auch ein Liedchen singen. Und Burghardt ahnte noch nichts von dieser Ungeheuerlichkeit. Diesem Kerl missfiel bereits Leons „schwules Aussehen“. Wenn der ihn im Gartenhäuschen bei einem heißen Blowjob erwischen würde, würde er vermutlich ähnlich reagieren, wie seinerzeit ein gewisser Herr Strelmann. Nun, Kai hatte seinen Auszug bereits vorher geplant gehabt. Der war nur etwas verfrüht und überstürzt durchgezogen worden.
Seufzend strich er Leon durch die Haare.
„Manche Männer werden so erzogen, dass sie keine Gefühle zeigen dürfen.“ Sein eigener Vater war da ähnlich gewesen. Zwei Jahre hatte er nicht mehr mit ihm geredet, dann hatten sie sich leidlich ausgesöhnt. Ihr Verhältnis war jedoch angespannt geblieben. Ein Mann der Männer liebte war für Herrn Strelmann einfach unvorstellbar.
„Mit Oma hat er sich vor ein Paar Jahren auch überworfen. Sie ist daraufhin ins Altersheim gezogen. Deshalb besuche ich sie auch und nicht er. Sie will ihn nicht sehen, aber was genau zwischen ihnen gewesen ist, darüber schweigen sie alle.“ Leon blickte seufzend aus dem Fenster und auf die Uhr. Draußen leuchtete ein sehr heller, halber Mond von einem frostklaren Himmel. „Ich fahre besser los. Ist schon spät.“
„Ich ... könnte mitkommen, wenn es leichter ist“, schlug Kai vor. Oh Mann, er würde sich fesseln und knebeln müssen, um sich nicht schützend vor Leon zu stellen und blöde Bemerkungen von sich zu geben. Aber er würde es tun, wenn es sein musste. Leon schmunzelte, knuffte ihn sachte und wurde umgehend ernst.
„Bringt nichts und womöglich macht er noch dich verantwortlich. Schließlich war es meine Entscheidung zu schwänzen. Das wird ihn gar nicht so stören, eher, dass er heute alles alleine machen musste. Nein, ich habe das verbockt, dann muss ich da auch durch. Ich will nicht, dass er dich fertigmacht.“
„Hey, ich bin schon groß“, erklärte
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