Mecklenburger Winter
in die Hocke, schlug einmal das Putzgerät kräftig auf den Boden und erhob sich elegant. Ein Muster aus runden, symmetrisch angeordneten, grauen Staublinien zierte nun die Pflastersteine. Kai riss sich von dem verführerischen Anblick der knackigen Kehrseite los und probierte es aus. Scheppernd prallte der Striegel auf den Steinboden und tatsächlich: Der Staub fiel heraus. Dabei sah das Ding mehr aus wie ein mittelalterliches Folterinstrument als ein Putzwerkzeug.
Leon hatte ihm erklärt, wie er in Kreisen über das Fell des Pferdes fahren sollte, um den Dreck zu entfernen. „Jepp, genau so“, bestätigte dieser lächelnd und reichte Kai eine weiche Bürste. „Und nun damit in langen Strichen immer mit dem Fell streichen. Schau: Ein Strich mit der Kardätsche und einmal an dem Striegel abstreifen.“ Seine linke Hand fuhr in einer eleganten Bewegung über den Hals des Tieres und in demselben Schwung strich er die Borsten an dem Metallding in seiner Rechten ab. Eine tänzerische Bewegung voll Leichtigkeit.
Zustimmend brummte Kai und zwang sich dazu, das Pferd weiter zu putzen. Verdammt schwer, wenn man dies neben einem Leon tat, der in seinen Reiterklamotten unverschämt sexy aussah und dem seine dunkelblonden Haare dauernd neckisch ins Gesicht fielen und zurückgestrichen werden wollten. Ständig zuckten Kais Finger, wenn er weiße Haare auf Leons Nase und Wange bemerkte. Da war diese entzückende staubige Spur an seinem Kinn, die entfernt werden wollte und … Kai konnte die Lippen förmlich nach einem Kuss schreien hören.
So wie heute Morgen. Er erinnerte sich: Vorwitzige Sonnenstrahlen hatten ihn geweckt. Es war warm und kuschelig und er drehte schlaftrunken den Kopf. Leon lag neben ihm und er hatte seinen Anblick in aller Ruhe genießen können. Verwuschelte Haare, den Mund minimal geöffnet und Lippen, die Kai einfach magisch anzogen. Hoffnungslos, dagegen konnte er sich nicht wehren.
Ganz zart berührte er sie. Zunächst mit dem Zeigefinger, anschließend mit seinen Lippen. Mit geschlossenen Augen. Wie schön wäre es, immer so aufzuwachen. Wäre da nur nicht der dämliche, homophobe Vater, dessen Schatten Leons Leben verdunkelte und überallhin zu folgen schien.
Seufzend öffnete Kai die Augen und blickte direkt in Leons graugrüne. Verlegen lächelte Kai und rückte ein wenig zurück.
„Sorry, konnte nicht widerstehen“, murmelte er, beäugte Leons Reaktion argwöhnisch. Mit kurzen harten Schlägen klopfte sein Herz. Oh Mann, er mochte diese ungewisse Spannung zwischen ihnen nicht, wenn er nicht wusste, ob er zu weit gegangen war. „Gibt schlechtere Arten aufzuwachen.“ Leon gähnte und lächelte ihn augenzwinkernd an. „Zum Beispiel?“ Kai fand schnell in den freudigen Herzschlagrhythmus zurück. Leon musterte ihn eine ganze Weile und nuschelte, den Kopf gleichzeitig ins Kissen drehend: „Ohne dich.“
Verblüfft starrte Kai ihn an. Sein wummernder Herzschlag übertönte gnadenlos die wirr umherjubelnden Gedanken und die schrill aufjauchzende Libido feuerte ihn an, sich auf Leon zu stürzen, was sein Herz und sein Verstand vehement ablehnten. Als er sich in dem Stimmengewirr endlich durchgekämpft hatte und zu einer sehr romantischen Antwort ansetzte, hatte sich Leon bereits aus dem Bett gerollt und seine Sachen gegriffen.
„Bin dann mal im Bad“, murmelte er und hastete hinaus, sanfte Röte auf seinem vom Schlaf verknautschten Gesicht. Kais Lippen zogen sich zu einem breiten Grinsen auseinander, welches auch nicht schwinden wollte, als er sich auf den Rücken drehte und dämlich die Decke anstarrte. Erst beim Frühstücken mit Dirk und Susanne hatte er es ein wenig eindämmen können.
Oh ja und er liebt mich doch, dachte Kai verträumt. Leon liebt seinen Kai und irgendwann wird er den Mut haben, es allen entgegenzuschreien. Ganz bestimmt. Mein Schneehase wird sich hinstellen und allen den Stinkefinger zeigen. Irgendwann.
„Was ist?“
Leons Stimme riss Kai aus den Erinnerungen und er sah hoch. Haare und Staub wirbelten auf und Kai blinzelte. „Was soll sein?“ Bedächtig begann er erneut, das Pferd zu putzen. „Du grinst schon wieder so“, gab Leon zurück, beobachte Kai genau, während er selbst in routinierten Bewegungen den Hintern - die Kruppe wie Leon gleich korrigiert hatte - des Pferdes säuberte.
„Hey, ich bin eben ein fröhlicher Mensch.“ Kai, bückte sich hastig und klopfte das Metallding aus. „Ja, klar doch.“ Leon klang nicht überzeugt und er musterte
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