Mecklenburger Winter
verbannte sie größtmöglich aus seiner Stimme.
„Paolo war … mein fester Freund“, erklärte er, kaum stockend. Freund. Das Wort klang anders, befremdlich, wenn es sich auf Paolo bezog. „Und ein Riesenfehler.“ Kai dachte an dunkle Haare, braune Augen und riss sich zusammen. „Ja, ein Fehler. Mein erster Versuch einer Beziehung. Ist gründlich in die Hose gegangen.“
„Warum?“ Leon wandte etwas den Kopf. „Nun ...“ Kai zog das Wort in die Länge. „Vermutlich, weil ich bin, wie ich bin und Paolo mich gerne anders gehabt hätte.“
„Wieso?“ Leon wirkte irritiert. „Du bis doch voll okay, wie du bist.“ Hach, ich liebe es, wenn er so etwas sagt. Kai seufzte selig und der Geist Paolos verzog sich murrend in die angestammte Ecke. „Ich bin eine Laufmasche. Ich brauche den Sport wie eine Droge. Darin gehe ich auf. Paolo hat das nicht verstanden. Wir waren kaum zusammengezogen, da fing das Gemecker an. Dauernd hat er verlangt, ich solle weniger trainieren, an weniger Wettkämpfen teilnehmen. Schließlich machte er Schluss und ging. Und das war vermutlich nur gut so.“ Abermals schwebte der Geist drohend heran, brachte Kälte und negative Gefühle mit sich.
„Ich habe nur verdammt lange gebraucht, darüber hinwegzukommen“, fügte Kai hinzu. „Und hatte mir geschworen, mich nie wieder auf eine Beziehung einzulassen.“ Sein Blick wanderte über Leons Profil, erfasste die dunkelblonden Haare, die Nase, die Linie der Lippen.
„Mir scheint, ich bin dabei meinen Vorsatz über den Haufen zu werfen. Und nein, ich bereue es nicht. Ich bereue keine Sekunde, die wir zusammen sind und ich würde mir wünschen, dass du es ebenso genießen kannst, Leon. Egal, was dein Vater oder andere darüber denken mögen.“
Eindeutig war der Steg am Wanken, denn Leon kniff die Lippen zu einer harten Linie zusammen. Er sagte nichts mehr, nicht einmal, als sie Susannes Haus erreicht hatten. Schweigend schloss Kai auf. Seine Euphorie war völlig verschwunden. Hatte er zu viel gewagt? Es war so schwer, sein Herz nicht auf der Zunge zu tragen.
Sie wechselten nur wenige, leise Worte im Bad und Leon verschwand als Erster in ihrem Zimmer. Kai stand länger vor dem Spiegel und musterte sich selbst. Ein hageres Gesicht, ein schlanker, durchtrainierter Körper. Er sah nicht schlecht aus. Ganz gewiss nicht. Aber war er der Typ, für den Leon sein bisheriges Leben ändern wollen würde? Er konnte es nicht erzwingen, konnte und wollte Leon auch nicht verbiegen. Es war dessen Leben, seine Entwicklung. Er konnte nur versuchen, für ihn da zu sein.
Also eine weitere Nacht alleine, mit einem Leon in Reichweite und dennoch weit von mir entfernt. Müde fuhr er sich über die Augen und schaltete seufzend das Licht aus. Vorsichtig tastete er sich in ihr Zimmer vor, schlug die Bettdecke zurück und stoppte überrascht, als seine Hand auf warme Haut traf.
Leon. Er lag in seinem Bett. Wirklich und wahrhaftig.
Mit freudig klopfendem Herzen krabbelte Kai unter die Bettdecke und schloss die Augen. Nach nur wenigen Minuten schob sich zögernd eine Hand auf seine Brust. Sie blieb dort liegen und Kai legte seine vorsichtig darauf. Mehr brauchte es nicht, um abermals Endorphine in Kais Körper freizusetzen, die ihn in den Schlaf begleiteten und ihm wunderbare Träume schickten.
42 Zuhause sind wir gute Freunde
„Und jetzt?“
Kai betrachtete argwöhnisch die metallene „Bürste“. Flockiger, grauer Staub füllte die tiefen Rillen der Innenseite. Ein bisschen davon war mittlerweile auch auf dem Ärmel seiner Laufjacke zu finden. Und immer noch viel zu viel in dem dichten, grauweißen Fell des Pferdes.
Dabei tat das Tier alles Erdenkliche, seinen Winterpelz freizügig an Kai abzugeben. Wie heimtückische Lebewesen suchten sich die Haare den Weg in sein Gesicht, kitzelten in der Nase und gesellten sich bevorzugt zu seinen. Zu Kais Glück verfingen sie sich indes nicht an dem glatten Stoff seiner Laufkleidung.
Leons Pullover hingegen wirkte, als ob der weiße Pelz vom Pferd auf ihn übergegangen wäre. Mit den grauweißen Haaren in dessen dunkelblondem Schopf, sah er um Jahre gealtert aus.
„Einfach auf dem Boden ausklopfen. So“, erklärte er Kai und machte es auf der anderen Seite des Pferdes vor. Kai spähte - in respektvollem Abstand zur Hinterhand des Tieres - um eben jene herum. Sein Blick folgte weniger der Vorführung des Ausklopfens, als der Bewegung von Leons langen Beinen in den Reiterhosen. Geschmeidig ging dieser
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