Mecklenburger Winter
meine Theorie habe ich gerade widerlegt bekommen.“ Sie lächelte ihn an. „Und du hast echt schon seine Telefonnummer? Läuft da etwa was zwischen euch?“ Kai zögerte kurz, antwortete aber ehrlich: „Leider nein. Ich fürchte, er ist wirklich hetero und ich falle wohl daher nicht in sein Beuteschema.“
„Das klang nicht unbedingt so.“ Angie stieß ihn an und Kai horchte auf. Hatte sie mehr mitbekommen als er? Frauen sollten ja einen feineren Draht für so etwas haben. „Wenn du dich in den Süßen verschossen hast, solltest du es in jedem Fall ausnutzen, dass er eine derart hohe Meinung von dir hat“, meinte sie schmunzelnd.
„Woher ...?“ Kai starrte sie verblüfft an. Kann sie hellsehen? Woran hat sie denn bitteschön erkannt, dass ich mich schon in Leon verguckt habe? „Ach, Mensch, Kai.“ Sie verdrehte die Augen. „Ich bin eine Frau. Denkst du, ich habe nicht gesehen, wie du ihn angeschmachtet hast? Der Schnuckel hat dir voll den Kopf verdreht mit seinem Welpenblick.“
Was sollte er darauf sagen? Es war wohl weniger der Welpenblick, wie sie es nannte, als eher der Anblick der graugrünen Augen, des süßen Lächelns und vor allem der langen Reiterbeine gewesen, die ihn gefangen genommen hatten. Dazu Leons schüchterne, zurückhaltende Art. Ach, was genau, konnte er ja nicht einmal genau sagen.
„Schnapp ihn dir Tiger, bevor es ein anderer tut.“ Sie lachte. „Oder eine andere. Mir könnte er ja durchaus auch gefallen.“ Kai wollte protestieren, aber da stupste sie ihn auch schon an. „Ich lasse dir einen Vorsprung. Fair ist fair. Bis morgen, Kai.“
Er starrte ihr finster hinterher. Toll, das war kaum fair, denn er konnte ja mit ihr in einiger Hinsicht nicht konkurrieren: Er hatte definitiv keine Brüste oder eine Muschi.
Seufzend ging er zu Leon zurück, der sich sofort von der Theke abstieß. Zuckrige Wärme durchströmte Kais Adern, als Leon ihn anstrahlte. Flüssige, rosa Zuckerwatte in den Adern, na toll.
„Fertig?“ Kai schnappte sich seine warme Jacke und beobachtete Leon beim Anziehen. Lieber wäre mir ja eindeutig das Ausziehen. Schweigend gingen sie hinunter in den Innenhof. Sofort sprang sie die beißende Kälte einem Raubtier gleich an, welches sehnsüchtig auf seine Beute gewartet hatte. Minus zwölf Grad, bemerkte Kai schaudernd. Hört das denn nie auf?
„Scheiß kalt“, brummte auch Leon durch den Kragen seiner Jacke. „Von wegen Klimaerwärmung.“
„Diese kalten Winter sind aber eine Folge davon“, informierte ihn Kai, als sie rasch ins Auto einstiegen. Sofort schaltete er die Heizung ein, es würde dennoch ein paar Kilometer dauern, bis die Innentemperatur deutlich über der draußen lag. Leon kuschelte sich in die Polster.
„Ich hasse den Winter“, meinte er seufzend. Kai lächelte zu ihm hinüber. „Dann sind wir schon zu zweit. Aber ob ihn das verscheucht?“
„Wohl nicht“, nuschelte Leon durch seine Jacke als Kai durch Lulu fuhr. „Danke, dass du mich mitnimmst.“
„Bin ich dir doch schuldig“, meinte Kai. Er mochte solchen Smalltalk nicht, wusste gerade allerdings auch nicht, wie er das Gespräch in andere Bahnen lenken konnte, ohne Leon abermals zu plump anzumachen. Seine Zunge führte da oft ein unerwünschtes Eigenleben und war seiner Libido hörig. Ganz offensichtlich stand Leon auch nicht auf die direkte Tour. Er stand vielleicht nicht einmal auf Männer.
„Du bist ja ganz schön berühmt“, überraschte ihn Leon nach Minuten des Schweigens. Er lächelte etwas unsicher. „Ich habe mal spaßeshalber deinen Namen im Internet eingegeben“, gab er verlegen zu. „Da stand ganz schön viel über dich.“ Die Heizung war definitiv nicht der Grund, warum sich Kai plötzlich wohlig warm fühlte.
„Du hast da ein paar Mal irgendwelche Rekorde gebrochen und Deutscher Meister warst du auch schon. Wow.“ Sieh an, dachte Kai. Nicht nur ich habe etwas herausgefunden. Leon anscheinend auch. Er interessiert sich also wirklich für dich, freute sich Kais Libido.
„Ja, zweimal sogar“, gab er stolz zu, fing einen bewundernden Blick von Leon ein, der seine Körperkerntemperatur um weitere Grade steigen ließ. Im Grunde hätte er nun auch die Heizung ganz ausschalten können. Warm genug war ihm. „Wow“, brachte Leon hervor. „Ich könnte das nicht. Das ist so irre.“
Kai erinnerte sich an ihr unglückliches Gespräch, als er indirekt Leons Körperkraft infrage gestellt hatte, und beeilte sich zu versichern: „Klar kannst du so
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