Mecklenburger Winter
Die Zunge fuhr unbewusst erotisch über die weichen Lippen. „Schade. Weil du dich dann vielleicht ja auch für mich interessieren würdest“, wagte sich Kai vorsichtig weiter vor. „Für dich?“, brachte Leon mit höherer Stimme hervor. Kai lächelte, fühlte es in sich vor Aufregung flattern. „Ja, für mich. Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich auf Typen wie dich stehe, oder? Wir könnten viel Spaß miteinander haben.“
„Du meinst ...“, würgte Leon hervor, den Kopf hochrot, beendete den Satz allerdings nicht. Er senkte den Blick, biss sich auf die Unterlippe und hob den Kopf. Die graugrünen Augen blitzten Kai herausfordernd an. „Ich bin aber eindeutig nicht schwul.“
„Wenn du meinst“, brummte Kai. „Bi wäre auch okay.“
„Bi?“, fragte Leon sichtlich verwirrt nach. Sein Ausdruck veränderte sich sofort. Jetzt sah er wieder unsicher und ängstlich aus. Kai grinste. Leon ist so herrlich unerfahren. Aber er war auch in Mecklenburg aufgewachsen, nicht in einer Großstadt. Vermutlich war es schon ein Unterschied zu dem Ort, wo Kai groß geworden war.
„Bisexuell. Heißt, es ist dir egal, ob du mit einem Mädchen oder mit einem Jungen schläfst. Damit könnte ich auch sehr gut leben“, setzte er hoffnungsvoll hinterher. Augenblicklich schüttelte Leon energisch den Kopf.
„Ich mag definitiv Mädchen“, versicherte er. „Ich mag nur die Mädchen in meiner Klasse nicht. Aber ich mag Frauen. Ich bin nicht schwul oder was anderes.“ Wenn du es sagst, seufzte Kai, hoffte sehr, dass er zwischen den Zeilen nicht nur vernommen hatte, was er hören wollte, sondern eventuell doch mehr war. Sein Gaydar war durchaus entwickelt. Aber selbst wenn, würde er im Moment zumindest nicht an Leon herankommen können. Nicht, wenn der so viel Angst vor dem Schwulsein hatte. Warum eigentlich?
„Ach so.“ Kai vermied es, den Kopf zu drehen. Er spürte Leons durchdringenden Blick auf seiner Wange brennen. Schweigend fuhren sie durch die winterliche Landschaft.
„Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, wie man so etwas Verrücktes wie diesen Triple machen kann“, führte Leon unvermittelt ihr unverfänglicheres Gespräch fort. Kai kam eine Idee. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt und da immerhin Leon zu mir gekommen ist, kann ich doch einen weiteren Schritt machen. Wer weiß schon, was sich daraus alles ergeben kann?
„Vielleicht hast du ja Lust? Ich und meine Freunde wollten mal einen netten Filmabend vom letzten Iron Man machen. Da sind ein Kumpel und ich mitgelaufen. Wir treffen uns bei mir.“ Leon sah ihn überrascht aber wenigstens nicht mehr entsetzt an. „Vielleicht willst du auch vorbei kommen? Ich kann dich auch abholen. Ich bin ja jetzt motorisiert.“
Leon zögerte. Sieht aber nicht ganz abgeneigt aus, frohlockte Kai. Das könnte echt nett werden. Wenn ihn Extremsport derart beeindruckt, dann würde ich ja gerne mehr bieten. Mal schauen, ob er dann nicht doch ...
„Weiß nicht recht. Geht nur Freitag oder Samstag und ich muss um 0 Uhr wieder zuhause sein. Sonst kriege ich Ärger.“
„Kein Problem“, beeilte sich Kai zu versichern, fühlte sein Herz freudig hüpfen. „Dafür sorge ich dann schon.“
„Okay. Dann komme ich gerne.“ Leon lächelte. Kai unterdrückte ein breites Grinsen. Geht doch. Ich habe quasi mein erstes Date mit ihm. Naja, irgendwie zumindest. „Freitag um 18 Uhr?“, schlug er vor. Leon nickte. „Kriege ich schon hin. Muss ich nur meinem Vater beibringen, dass er die letzte Fütterung alleine macht, aber das klappt schon. Ich gehe sonst ja nie weg.“
„Nie?“, fragte Kai nun doch verwundert nach. Leon schüttelte den Kopf. „Sonst nicht. Ich hab nicht so viele Freunde und meistens muss ich arbeiten. Aber einmal wird es schon gehen. Hoffe ich.“
Sie schwiegen, als Kai nach Moraas abbog. Die Straße war weitaus weniger befahren und er fuhr vorsichtig durch das winterliche Grau.
„Wann wirst du denn eigentlich achtzehn?“, fragte er plötzlich nach. „Im April“, gab Leon zurück. „Oh, prima“, kam es Kai viel zu schnell von den Lippen. „Wieso?“, fragte Leon misstrauisch nach. Kai verriet natürlich nicht, dass er dann volljährig war und somit für sich entscheiden konnte. Aber eigentlich hatte er auch eher daran gedacht, dass er sich wohler fühlen würde, wenn Leon volljährig war, sollten sie doch einmal zusammen kommen.
„Dann kannst du offiziell alleine Auto fahren“, rettete er sich. „Das ist doch praktisch. Dann musst
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