Mecklenburger Winter
du niemanden mehr fragen.“ Leon lächelte, ahnte natürlich nichts von Kais anderen Gedanken. „Stimmt. Vor allem bekomme ich dann von meiner Oma sogar ein eigenes Auto. Hat sie mir versprochen. Zum Geburtstag.“
„Wow, das nenne ich ein perfektes Geburtstagsgeschenk.“ Kai war beeindruckt. So eine Oma hätte ich auch gerne gehabt. „Naja, nichts dolles bestimmt. Aber immerhin ein Auto, das mir gehört. Dann bin ich unabhängiger.“ Leon zeigte nach vorne. „Da vorne musst du abbiegen.“ Sie näherten sich dem Ende ihrer Fahrt, wie Kai bedauernd bemerkte. Aber immerhin, freute er sich, ich habe eine Verabredung mit ihm.
Leon schien nervöser zu werden, als sie sich dem Hof näherten.
„Du kannst mich hier raus lassen“, meinte er, bevor Kai auf den Hof einbiegen konnte. „Auf dem Hof ist schlecht zu wenden, da ist gerade alles vereist.“ Kai hielt auf der Straße an. Von hier konnte man das Wohnhaus und die Stallungen hinter der Hecke und dem hohen Sichtzaun noch nicht sehen. Leon öffnete rasch die Autotür, stieg aus, beugte sich dann allerdings zu Kai. Eisiger Wind fauchte herein und ließ diesen frösteln.
„Dankeschön.“ Noch einmal lächelte Leon ihn mit seinem hinreißenden Lächeln an. „Bis Freitag dann. Ich freue mich sehr darauf.“
Rasch schloss er die Autotür. Kai sah zu, wie Leons Gestalt in der Hofeinfahrt verschwand. Vorsichtig wendete er und fuhr nach Hagenow. Endlich mal was Gutes. Trotz des eisigen Winters. Dieser Tag war einfach toll. Er summte fröhlich vor sich hin. Am Freitag treffe ich ihn wieder und vielleicht geht ja auch dieser elendig kalte Winter irgendwann mal vorbei.
10 Klirrende Kälte
Der Freitag rückte näher und Kai erwartete ihn sehnsüchtig.
Die Abende mit seinen Freunden waren immer lustig. Lars und Basti machten immer Scherze und der blonde Dirk würde seine Freundin Susanne mitbringen. Es würde bestimmt ein netter Abend werden und er hoffte, dass sich Leon unter den ganzen Extremsportlern wohlfühlen würde.
Die Woche über war er mehrfach versucht gewesen, Leon anzurufen, nur um seine Stimme zu hören, hatte es allerdings unterlassen. Insgeheim befürchtete er ihn zu verschrecken, wenn er weiterhin zu offen zeigte, wie interessiert er an ihm war. Leon interessierte sich ja scheinbar auch für ihn, auch wenn es derzeit nur den sportlichen Aspekt betraf. Immerhin.
Am Donnerstag hielt er es nicht mehr aus und rief ihn doch an, um sich zu versichern, dass Leon wirklich kommen würde. Leider ging dieser nicht ans Telefon und eine Mailbox hatte er auch nicht eingeschaltet. Kai versuchte es dreimal und grübelte prompt vor sich hin, selbst als er sich beim Laufen durch den schneidenden Ostwind kämpfte. Ob er es sich wohl doch anders überlegt hat? Das wäre mehr als frustrierend. Reicht doch schon, dass ich kaum vernünftig trainieren kann.
Verbissen kämpfte Kai gegen den scharfen Wind, die eisige Luft, die in seiner Lunge brannte und die widrigen Bodenverhältnisse. Die verschneiten und vereisten Wege ließen sein angestrebtes Tempo einfach nicht zu, wenn er nicht riskieren wollte, auszurutschen und sich ernsthaft zu verletzen, eine Horrorvorstellung. Eine Verletzungspause würde das Aus für all seine Pläne und Träume sein.
Leider bekam er den Kopf dabei nicht frei, denn immer wieder tauchten ungebeten graugrüne Augen auf. Wenn Kai seine bisherigen Liebschaften mit seinen Gefühlen für Leon verglich, waren es nur heiße Strohfeuer gewesen. Bis auf Paolo vielleicht … Warum musste es ihn nun ausgerechnet bei einem siebzehnjährigen Jungen erwischen, der scheinbar nicht einmal in der gleichen Liga spielte? Das Leben war unberechenbar.
Nach anderthalb Stunden kam er heim, schälte sich aus seiner Laufkleidung und ging umgehend unter die Dusche. Auch da ließ ihn der Gedanke an den jungen Mecklenburger nicht los. Galt Leons Interesse wirklich ihm oder suchte er den Kontakt, weil er sonst keinen Freund hatte? Und warum ging er nicht ans Telefon?
Erst als er am PC saß und sich durch die Beiträge las, bemerkte er sein Handy, das wild blinkte. Leons Namen erschien auf dem Display. Hastig drückte Kai die Taste und schmunzelte über seinen beschleunigten Herzschlag. Wie ein pubertierender Jugendlicher. Kai lauschte freudig seiner Stimme. Er mochte es, wenn Leon seinen Namen aussprach. Wie schön es erst klingen wird, wenn er ihn stöhnt oder seufzt?
„Sorry, konnte vorhin nicht rangehen. War im Unterricht und dann auf dem
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