Media Control
wohlmeinender Blutbäder (unter Hervorhebung US-amerikanischer Unschuld) hin und wieder erwähnt, und die Offenlegung des Umgangs mit schändlichen Blutbädern allgemein verurteilt.
Diese Reaktionen sind von großer Bedeutung für die Untersuchung ideologischer Institutionen. Schauen wir uns deshalb zwei Fälle an, die wir detailliert untersucht haben: die von den USA unterstützte Invasion Ost-Timors durch indonesische Truppen (wohlmeinend), sowie den Terror in Kambodscha unter den Roten Khmer (schändlich).
Diese beiden Fälle eignen sich ausgezeichnet für einen Test des Propaganda-Modells. Beide Male handelte es sich um schreckliche Massaker, die zudem zur gleichen Zeit in Südostasien stattfanden, auch waren die Beweismaterialien gleichermaßen zugänglich und stammten aus glaubwürdigen Quellen, die den Schluß zuließen, daß die Greueltaten ihrem absoluten Umfang nach vergleichbar waren. 17 Der entscheidende Unterschied lag darin, daß die Massaker in Ost-Timor von einem Satellitenstaat der USA mit deren wachsender diplomatischer und militärischer Unterstützung begangen wurde, während die Massenmorde in Kambodscha von einem offiziellen Feind verübt wurden und damals dazu dienten, das »Vietnam-Syndrom« zu überwinden, galt es doch, die Unterstützung der US-amerikanischen Bevölkerung für Intervention und Gewaltanwendung in der Dritten Welt »als Verteidigung gegen die Pol Pots« zurückzugewinnen, was schon bald darauf in El Salvador notwendig wurde.
Es ging uns bei der vergleichenden Untersuchung der Medienreaktion auf die Vorgänge in Ost-Timor und Kambodscha nicht um die Frage, was dort tatsächlich geschehen war, sondern um die Verwandlung der verfügbaren Informationen bei ihrem Gang durch die Filter des ideologischen Systems. Dessen Wirkungsweise läßt sich auch ohne Kenntnis der genauen Tatsachen analysieren. Im Fall von Ost-Timor gingen wir davon aus, daß die kirchlichen Quellen und Zeugnisse von Flüchtlingen glaubhaft waren, während im Fall von Kambodscha Spezialisten des US-Außenmini-steriums offensichtlich die verläßlichsten Berichte lieferten. Beide Annahmen erwiesen sich im nachhinein als begründet, aber die Genauigkeit unserer Mutmaßungen über das tatsächliche Geschehen ist für das von uns behandelte Problem nicht entscheidend.
Das heißt natürlich nicht, daß man die Aufgabe, herauszufinden, was wirklich passierte, vernachlässigen dürfe (nur war das nicht unsere Aufgabe). So widersprachen wir Jean Lacouture, der in der New York Times Review of Books behauptet hatte, es sei gleichgültig, ob unter Pol Pot Tausende oder Millionen von Kambodschanern ermordet worden waren. 18
Wenden wir uns den Voraussagen erster Ordnung zu. Im Falle Kambodschas war von Anfang an von Völkermord die Rede, wobei man in großem Stil Beweise fälschte und einige der verläßlichsten Quellen (zu denen auch die eben erwähnten Beobachter des US-Außenministeriums gehörten) unterdrückte, weil ihre Berichte nicht dem gewünschten Bild entsprachen. Im Fall von Ost-Timor ging die vor der Invasion relativ umfangreiche Berichterstattung auf Null zurück, als die Greueltaten ihren Höhepunkt erreichten.
Wie bedeutsam diese Unterdrückung von Informationen war, kann nicht stark genug hervorgehoben werden, weil dadurch nur wenige wußten, was in Ost-Timor vor sich ging oder den spärlich durchsickernden Nachrichten nicht genügend Aufmerksamkeit zollten. Ich selbst kann mich, wie ich mit Bedauern sagen muß, von dieser Kritik nicht ausnehmen. Die Gewalttätigkeiten in Kambodscha und Ost-Timor begannen etwa zur gleichen Zeit, aber ich reagierte auf die Massaker der indonesischen Armee erst neunzehn Monate später, obwohl sie unter moralischen Gesichtspunkten bedeutsamer waren, weil zu ihrer Beendigung einiges hätte getan werden können. Dank der Selbstzensur der Medien gab es jedoch keine Bemühungen, die USA zu einer Änderung ihrer Haltung zu zwingen, während im Hinblick auf Kambodscha niemand Maßnahmen vorschlug, um die Verbrechen zumindest abzumildern. Als George McGovern Ende 1978 eine militärische Intervention vorschlug, wurde er von Vertretern der Rechten und Regierungsberatern bespöttelt. Und als Pol Pots Untaten durch den Einmarsch der Vietnamesen schließlich beendet wurden, herrschte Empörung über die »asiatischen Preußen«, die für ihr Verbrechen bestraft werden mußten.
Somit wurden die Voraussagen erster Ordnung bestätigt, während jene zweiter Ordnung sogar alle Erwartungen
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