Media Control
nuklearen Rüstungswettlauf zusammenhing. Die Angriffe galten keineswegs seinen Irrtümern und Übertreibungen, sondern der Tatsache, daß er es wagte, Wahrheiten auszusprechen, die z.T. bis heute nicht akzeptiert werden.
II. Über kritische Ausgewogenheit
Wie bereits ausgeführt, macht das Propaganda-Modell Voraussagen erster Ordnung über das Verhalten der Medien sowie Voraussagen zweiter Ordnung über die Erörterung dieses Verhaltens. Diese Voraussagen lassen erwarten, daß Diskussionen über die Medien sich um die Frage ihrer macht- und regierungskritischen Einstellung drehen: Kritiker werden die Medien deswegen als einseitig geißeln, Verteidiger dagegen ihre Ausgewogenheit betonen. 25 Die Möglichkeit, daß die Medien dem Propaganda-Modell gemäß agieren, sollte aus derlei Diskussionen ausgeschlossen bleiben, weil sie den Interessen der Privilegierten widerstreitet. Diese Voraussagen finden wir bestätigt.
Eine komplexe Gesellschaftsordnung erlaubt immer einen gewissen Bereich der Variabilität von Reaktionen. So gibt es einen Umstand, bei dem die Kritik an der Unterwürfigkeit der Medien von diesen sogar begrüßt wird. Im allgemeinen dulden oder schätzen sie es sogar (aus Gründen der Imagepflege), wegen ihrer autoritätskritischen Haltung angegriffen zu werden. Aber bisweilen können solche Angriffe zu einer echten Bedrohung werden. Um sich zu verteidigen, berufen sie sich dann kurzfristig auf jene Kritiker, die ihnen Konformität vorwerfen. Werden sie einer unpatriotischen Haltung oder einer allzu negativen Einstellung gegenüber PR-Aktionen à la Reagan bezichtigt, können sie darauf verweisen, daß sie von beiden Seiten kritisiert werden und die Wahrheit folglich in der Mitte liegen dürfte, was besagt, daß sie ihre Arbeit ordentlich verrichten. Allerdings hätte das Argument nur dann Gewicht, wenn die »Kritik von beiden Seiten« einer Bewertung unterzogen würde, was indes nicht der Fall ist.
Natürlich darf auch die Abweichung von der Norm nicht zu weit gehen. Die Kritiker des Medienkonformismus dürfen die Funktionsweise herrschender Institutionen ebensowenig hinterfragen wie das wohlmeinende Streben der US-Regierung nach Demokratie in aller Welt.
An einigen Beispielen sei gezeigt, wie typische Kontroversen über die Berichterstattung der Medien beschaffen sind.
Um die Voraussagen zweiter Ordnung einem sorgfältigen Test zu unterziehen, eignet sich besonders eine Untersuchung des Institute for the Study of Diplomacy der Georgetown-Universität zur Medienberichterstattung über Konflikte in der Dritten Welt, bei der es vor allem um die israelische Libanon-Invasion von 1982 und Konflikte in Mittelamerika geht. 26 Die Beiträge stützen ihre Kritik kaum je durch Beweise ab, bieten aber einen erhellenden Einblick in die Sichtweisen von Personen, die in den Medien arbeiten oder ihnen nahestehen.
Wortführer sind diejenigen, die den Medien ihre, wie sie meinen, einseitige, gegen die USA und Israel gerichtete Haltung vorwerfen. Ein Kolloquium und Dokumente 27 erörtern die Gültigkeit dieser Vorwürfe, ohne jedoch in Erwägung zu ziehen, daß auch eine gegenteilige Kritik zumindest logisch möglich ist.
Die grundlegenden Annahmen skizziert der Herausgeber der Studie, Landrum Bolling, in seiner Einleitung. Er behauptet:
»Zu amerikanischen Medienberichten über internationale Politik läßt sich viel sagen, nicht jedoch, daß sie nur das Echo der Verkündigungen offizieller Sprecher unserer Regierung oder der anderer Staaten sind ... Die offizielle Version von Ereignissen hat in den Medien keine Monopolstellung ... Bei Kontroversen wird eifrig nach gegenteiligen Meinungen gesucht, die bisweilen eine Aufmerksamkeit erhalten, die sie nicht verdienen. Die Medien blühen auf, wenn es um Berichte über Debatten und stärkere Formen konfliktueller Auseinandersetzung geht.«
Bolling verweist auf die Behauptung, daß »der Krieg in Südostasien deshalb nicht gewonnen wurde ... weil die US-Massenmedien darüber so umfassend, nachhaltig und detailliert berichteten« und »das Fernsehen oftmals blutrünstige Bilder zeigte«, die »allmählich beim Publikum Widerwillen hervorriefen«. Dann kommt die entscheidende Frage: »Kann eine demokratische Gesellschaft mit ›freier Presse‹ sich selbst sowie ihre Freunde und Verbündeten in einer gefährlichen Welt gegen totalitäre Gegner verteidigen, die sich nicht mit einer freien Presse und unkontrollierten Fernsehsendern herumschlagen müssen?«
Dieser Rahmen
Weitere Kostenlose Bücher