Media Control
umfangreicher ist als im Hinblick auf Länder, die von den US-Medien im allgemeinen ge- oder verschmäht werden. Im übrigen gibt es eine reichhaltige Literatur zur israelfreundlichen Haltung der Medien; mir kam es hier nur auf den methodologischen Punkt an.
Es gibt noch weitere methodologische Probleme, die sorgfältig bedacht sein wollen, wenn die Analyse ideologischer Systeme auf seriöse Weise betrieben werden soll. Einige von ihnen sollen in der Folge erörtert werden.
Das Propaganda-Modell macht Voraussagen auf drei verschiedenen Ebenen. Die Voraussagen erster Ordnung betreffen die Funktionsweise der Medien, die Voraussagen zweiter Ordnung die Diskussion und Bewertung des Medienverhaltens, die Voraussagen dritter Ordnung die Reaktionen auf Untersuchungen zum Medienverhalten. Die allgemeine Aussage auf jeder Ebene lautet, daß das, was an Informationen in den Mainstream gelangt, den Bedürfnissen der etablierten Mächte dient. Mit den Voraussagen erster Ordnung hatten wir es bisher vorwiegend zu tun. Die Voraussage zweiter Ordnung - die Mediendiskussion befriedigt dieselben Bedürfnisse und wird daher auf die Frage eingeengt, ob die Medien regierungskritisch seien oder nicht - haben wir im ersten Kapitel behandelt und werden im nächsten Abschnitt (»Über kritische Ausgewogenheit«) darauf zurückkommen. Aber nehmen wir an, daß eine Untersuchung über die Medien diese Grenzen überschreitet und zu unerwünschten Folge-rungen gelangt. In diesem Fall geht die Voraussage dritter Ordnung davon aus, daß eine solche Unter-suchung, weil sie den Bedürfnissen der etablierten Mächte nicht entspricht, ignoriert oder verurteilt werden wird. Einige Beispiele sind bereits genannt worden, 15 aber ein näherer Blick kann nicht schaden, weil die Sache für die Erforschung des ideologischen Systems von einiger Bedeutung ist.
Wählen wir als konkretes Beispiel die von Edward Herman und mir in Political Economy of Human Rights vorgenommene Einteilung von Greueltaten in drei Kategorien: Wir unterschieden zwischen »konstruktiven«, »wohlmeinenden« und »schändlichen« Blutbädern. »Konstruktive Blutbäder« dienen den Interessen der US-amerikanischen Macht; »wohlmeinende Blutbäder« sind für diese Macht ohne Belang; »schändliche Blutbäder« werden von offiziellen Feinden angerichtet und dienen zur Mobilisierung der Öffentlichkeit.
Die Voraussage erster Ordnung behauptet, daß konstruktive Blutbäder begrüßt werden (vielleicht mit einem bedauernden Zungenschnalzen angesichts der Barbarei rückständiger Völker), während wohlmeinende Blutbäder unbeachtet bleiben und schändliche Blutbäder - ohne allzu große Berücksichtigung der Tatsachen - der Verdammung anheimfallen.
Die Voraussage zweiter Ordnung behauptet, daß Untersuchungen dieser Art im Mainstream nicht zu finden sind, und das ist durchaus richtig. Aber nun haben wir ein Beispiel, das diesen Rahmen sprengt. Wie wird die Reaktion darauf aussehen?
Die Voraussage dritter Ordnung behauptet, daß die Offenlegung der Tatsachen nicht positiv aufgenommen werden dürfte. Genauer gesagt: Man wird sie im Falle eines konstruktiven Blutbads ignorieren; man wird sie im Falle eines wohlmeinenden Blutbads ohne großes Interesse zur Kenntnis nehmen, und man wird sie im Falle eines schändlichen Blutbads mit Empörung leugnen. Die Gründe liegen auf der Hand: Daß man konstruktive Blutbäder begrüßt, kann man nicht zugeben, weil dann die Heuchelei der Empörung angesichts schändlicher Blutbäder offenkundig würde, während man ohne großen Schaden einräumen kann, wohlmeinende Blutbäder übersehen zu haben, solange die Beteiligung der USA an solchen Untaten nicht zur Sprache kommt. Der Umgang mit schändlichen Blutbädern wiederum darf nicht thematisiert werden, weil, abgesehen von der erneut zu Tage tretenden Heuchelei, damit ein wertvolles Instrument für die Mobilisierung der Öffentlichkeit gegen einen bedrohlichen Feind entfiele.
Unsere Studie (Political Economy of Human Rights) belegte, daß die Voraussagen des Propaganda-Modells auf allen drei Ebenen zutrafen. Die Berichterstattung über konstruktive, wohlmeinende und schändliche Blutbäder entsprach den Erwartungen. Ferner wurde - das betrifft die zweite Ebene - deutlich, daß die Untersuchung über die Berichterstattung keinen Platz im Mainstream hatte. 16 Und auch die Voraussagen dritter Ordnung erwiesen sich als zutreffend: Unsere Diskussion konstruktiver Blutbäder wurde ignoriert, die Erörterung
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