Media Control
Propaganda-Modell nicht, daß auch prinzipielle Gegner der Mittelamerika-Politik Reagans durch sorgfältige und kritische Lektüre der Medien dort Material entdecken konnten, das ihnen für ihre Argumentation von Nutzen war. Damit ist auch LaFebers dritter Einwand hinfällig.
Und wenn LaFeber schließlich meint, die Regierungspolitik sei nicht erfolgreich gewesen, sitzt er damit, genau wie die Medien, der offiziellen Propaganda auf, der zufolge die Vereinigten Staaten das Ziel hatten, Nicaragua »zur Demokratie zurückzuführen« sowie Guatemala und El Salvador zu richtigen »demokratischen« Staaten zu machen. Akzeptiert man diese offizielle Beschreibung, war die Politik Reagans sicherlich ein Fehlschlag. Wenn wir jedoch das ideologische System der USA mit jener kritischen Distanz analysieren, die wir auch anderen Gesellschaften angedeihen lassen, sehen die Folgerungen anders aus: Auch wenn die Regierungspolitik ihre tatsächlichen Ziele nicht in vollem Umfang erreicht und sich kostspielige Fehlschläge erlaubt hat, war sie doch - z. B. was die Desta-bilisierung der Sandinisten angeht - sehr erfolgreich.
Auf einen Punkt will ich noch hinweisen. Zur Funktion der Medien gemäß dem Propaganda-Modell gehört es, daß sie ein von der Realität nicht allzu weit entferntes Bild der Welt präsentieren, mag es auch noch so selektiv sein. Investoren und Regierungen müssen Entscheidungen in Kenntnis tatsächlicher Verhältnisse fällen. Privilegierte und politisch aktive Eliten, die sich auf die Medien verlassen, müssen einen gewissen Realitätsbezug haben, wenn sie ihre eigenen Interessen erfolgreich betreiben wollen. Zur Realität gehört oftmals auch, daß Mitglieder des Staats- und Regierungsapparats unfähig und korrupt sind, und das würde von den Medien selbst dann aufgedeckt und hervorgehoben werden, wenn ihre einzige Funktion darin bestünde, den Mächtigen zu dienen. Das ist jedoch kein Einwand gegen die These von der in vielfacher Hinsicht einseitigen Informationspolitik der Medien.
Ein höchst geeigneter Test für das Propaganda- oder ein anderes Funktionsmodell der Medien ist der genaue Vergleich von Beispielpaaren. Natürlich ist die Geschichte kein so ideales Experimentierfeld wie das Labor, aber es gibt viele Fälle, die einander so ähnlich sind, daß sie einen Test ermöglichen. Soweit ich weiß, bestätigen sie das Propaganda-Modell in einem für diese komplexe soziale Welt erstaunlichen Ausmaß.
Selbstverständlich muß man bei der Auswahl der Fälle Vorsicht walten lassen. Nehmen wir an, wir wollten beweisen, daß der Boston Globe in einseitig kritischer und unfairer Weise über die Stadt Boston berichtet. Zu diesem Zweck vergleichen wir die Berichterstattung über einen Fall von Regierungskorruption in Boston mit der über einen ähnlich gelagerten Fall in Seattle oder gar in Karatschi. Natürlich wird die Berichterstattung über die Vorgänge in Boston sehr viel umfangreicher sein, womit die Ausgangsthese schon bewiesen wäre: Die Herausgeber und Redakteure des Boston Globe sind »Leute, die Boston und sich selbst hassen«.
Klarerweise ist diese Beweisführung absurd, weil sie den normalen Umfang der sonstigen Berichterstattung und auch positive Reportagen über die drei Städte ebenso unberücksichtigt läßt wie Gründe für die Auswahl der Informationen.
Diese Punkte sind so trivial, daß man erstaunt ist, wie häufig sie ignoriert werden, z. B. im Hinblick auf die Berichterstattung über Israel, der man Unfairneß und Einseitigkeit vorwirft und dies zumeist damit begründet, daß israelische Verbrechen umfangreicher abgehandelt würden als vergleichbare oder schlimmere Untaten in Syrien, im Süd-jemen oder anderen arabischen Ländern. 13
Der Fehlschluß gleicht dem eben erwähnten aufs Haar. Die Berichterstattung über Israel ist nach Inhalt und Umfang gänzlich verschieden von der über andere Staaten der Region. So erhielten z.B. die Wahlen von 1988 eine Aufmerksamkeit, die nur noch von der Berichterstattung über die im selben Jahr stattfindenden US-Präsident-schaftswahlen übertroffen wurde. 14 Zudem wird Israel von den Medien extrem freundlich, bisweilen gar unterwürfig behandelt, während andere Länder der Region weitaus weniger gut wegkommen. Und bei keinem anderen Land würde man eine Vorgehensweise, wie sie Israel gegenüber den Arabern zeigt, dulden. Das heißt natürlich auch, daß die Berichterstattung über israelische Greueltaten, die nicht mehr übersehen werden können,
Weitere Kostenlose Bücher