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Einseitigkeit. Aber ihr Land wurde doch »befreit«! Allerdings hätte sich unschwer entdecken lassen, daß die Libanesen, welche politische Einstellung sie auch haben mochten, über das ihnen zugedachte Glück nicht allzu erfreut waren. Die New York Times begrüßte, wie gesagt, die »Befreiung des Libanon«, klammerte aber gerne die bitteren Bemerkungen von UN-Botschafter Ghassan Tueni, dem konservativen Christen und Besitzer der führenden Tageszeitung des Libanons aus; jedenfalls taucht sein Name im Index der New York Times für jene Monate nicht auf. Auch in der Literatur über den Krieg spielen libanesische Stimmen keine Rolle. 34 Würde dagegen Israel von Syrien besetzt und Tel Aviv bombardiert, wären die Medien zweifellos mehr als bereit, Israels UN-Botschafter und andere Quellen zu Wort kommen zu lassen.
Bolling betont, daß die Medien »keine Anstrengung unternahmen, die durch israelische Soldaten verursachten Leiden mit den noch größeren Zerstörungen und Verlusten an Menschenleben zu vergleichen, die von innerarabischen Kämpfen im libanesischen Bürgerkrieg 1975/76« und bei dem von Syrern verübten Massaker in Hamma verursacht worden waren. Selbst wenn das wahr wäre, ist doch nicht einzusehen, welche Bedeutung es für die Berichterstattung über Israels Invasion haben sollte. Was die Medien aus Syrien und den anderen arabischen Staaten mitteilen, ist ohnehin dürftig und, abgesehen von einigen US-Favoriten, extrem negativ. Die Logik von Bollings Behauptung scheint darauf hinauszulaufen, daß jede Kritik am israelischen Vorgehen gegen die Araber durch eine Verurteilung innerarabischer Konflikte aufgewogen werden müßte, wobei er offensichtlich nicht behaupten möchte, daß jede Kritik inner arabischer Konflikte durch eine Verurteilung Israels aufzuwiegen sei, was genauso unsinnig wäre. Solche und ähnliche Argumente treiben bisweilen seltsame Blüten. So antwortet Wolf Blitzer von der Jerusalem Post auf Wattenbergs Vorwurf der »Doppelmoral« mit der Bemerkung, die Washington Post habe tatsächlich keinen Reporter in den Nordjemen geschickt, um über ein Erdbeben zu berichten. Immerhin trifft sein Hinweis auf den »negativen Rassismus, der uns dazu verleitet, Opfern von Tötungen in der Dritten Welt nicht die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken« ins Schwarze und beschreibt - auch wenn er dies vielleicht nicht bemerkt - durchaus die Reaktion der US-Medien auf israelische Gewalttaten während vieler Jahrzehnte.
Einige Kommentatoren werfen den Medien vor, den »Terror sechsjähriger Herrschaft der PLO« im Libanon nicht geschildert zu haben (so z.B. Edward Alexander, der meint, daß die großen Medien »Israel als des Teufels Labor zeichneten, dessen Hauptstadt nicht Jerusalem oder Tel Aviv, sondern Sodom und Gomorrha ist«; das zeigt natürlich die Hysterie der Apologeten israelischer Gewalt angesichts des kurzfristigen Zusammenbruchs der üblicherweise geltenden Normen). Die Wahrheit sieht anders aus. Selbstverständlich wurde über die Untaten der PLO im Libanon berichtet, 35 nicht jedoch über die Erlebnisse israelischer Journalisten, die auf den Spuren der Berichte über PLO-Terrormaßnahmen den Libanon bereisten und dabei auf viele Zeugnisse christlicher und israelischer Gewalt stießen, während der PLO weit weniger anzulasten war. Besonders aufschlußreich war der in Israels führender Tageszeitung Haaretz erschienene Bericht des christlichen
Maroniten und geachteten Journalisten Attallah Mansur, der aus eigener Anschauung eine kritische Bewertung der Lage abgeben konnte. Ihm zufolge waren die Greueltaten der mit Israel verbündeten christlichen Milizen weitaus schlimmer als das repressive Verhalten linker Muslime und Palästinenser. Sein Artikel fand in den USA ebensowenig Gehör wie entsprechende Reportagen führender jüdisch-israelischer Journalisten, die in englischer Sprache veröffentlicht wurden, aber nicht das sagten, was man hören wollte. 36
Insgesamt werden die Beiträge der Studie von den Befürwortern US-amerikanischer und israelischer Gewalt bestimmt, die die Medien mit ganz extravaganten Vorwürfen überhäufen. Bisweilen werden die Anschuldigungen zurückgewiesen, aber abgesehen von Hooglands Analyse gibt es nur wenig Versuche, die diskutierten Vorgänge und das Verhalten der Medien ernsthaft zu analysieren.
Das letzte Kapitel - »Reflexionen zur Medienberichterstattung über die Dritte Welt« - wird von Botschafter David Newsom eröffnet, der bemerkt: »Heutzutage
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