Media Control
etwas ist damit zu vergleichen, es sei denn der Krieg gegen Nicaragua, wenn man hier überhaupt noch von Terrorismus sprechen will. Der Weltgerichtshof sprach von Aggression. Immer wieder werden ideologische Offensiven gestartet, die ein Monster entwerfen, das in den darauffolgenden Feldzügen vernichtet werden kann, sofern nicht die Gefahr echten Widerstands besteht. Das wäre zu gefährlich. Aber wenn der Sieg von vornherein abzusehen ist, schlagen wir zu und geben einen weiteren Seufzer der Erleichterung von uns.
Selektive Wahrnehmung
Im Mai 1986 erschienen die Memoiren des entlassenen kubanischen Strafgefangenen Armando Valladares und wurden schnell zur Mediensensation. Man beschrieb seine Enthüllungen als »definitiven Bericht über das umfassende System von Folter und Gefängnishaft, mit dem Castro die politische Opposition bestraft und auslöscht«. Valladares beschreibt »auf unvergeßliche Weise die bestialischen Kerker« eines Despoten, der »die Folter als Mittel sozialer Kontrolle einsetzt«. So die Washington Post und die New York Times in einigen Rezensionen. Castros Greueltaten würden, hieß es, so umfassend enthüllt, daß »nur die leichtfertigsten und abgebrühtesten westlichen Intellektuellen dem Tyrann zu Hilfe eilen dürften« (Washington Post). Hier ist die Rede davon, was einem Einzelnen passierte. Räumen wir ein, daß alles wahr ist, was er sagt. Stellen wir keine weiteren Fragen. Am Tag der Menschenrechte wurde er in einer Feierstunde im Weißen Haus von Ronald Reagan für den Mut, mit dem er Haft und Folter überstand, gelobt und danach zum US-Vertreter in der UN-Menschenrechtskommission ernannt, wo er helfen konnte, die Regierungen von El Salvador und Guatemala gegen Vorwürfe extremer Greueltaten zu verteidigen. So ist der Stand der Dinge.
Was nun folgt, verrät einiges über die »Herstellung von Konsens«. Im selben Monat, als Valladares' Memoiren erschienen, wurden die überlebenden Mitglieder der Menschenrechtsgruppe von El Salvador verhaftet und gefoltert. Unter ihnen befand sich auch Herbert Anaya, der damalige Leiter. Sie kamen in ein Gefängnis mit dem hoffnungsvollen Namen »La Esperanza«, wo sie ihre Arbeit fortsetzten. Da sie Anwälte waren, nahmen sie eidesstattliche Erklärungen auf. Von den 432 Häftlingen des Gefängnisses gaben 430 eine eidesstattliche Erklärung ab, in der sie die erlittenen Folterungen (u.a. elektrische Schläge) beschrieben, die in einem Fall von einem US-amerikanischen Hauptmann in Uniform durchgeführt wurden, dessen äußere Erscheinung detailliert geschildert wird. Der 160 Seiten umfassende Bericht - ein vielleicht einzigartiges Zeugnis über Vorgänge in einer Folterkammer - wurde zusammen mit einem Video, das Zeugenaussagen festhält, aus dem Gefängnis geschmuggelt und dann von der Marin County Interfaith Task Force vertrieben. Die US-Presse weigerte sich, darüber zu berichten. Die TV-Sender weigerten sich, das Video zu zeigen. Es gab einen Artikel in der örtlichen Zeitung von Marin County, dem San Francisco Examiner, und das war alles. Niemand sonst wollte sich damit befassen. Damals gab es genügend »leichtsinnige und kaltblütige westliche Intellektuelle«, die Loblieder auf José Napoléon Duarte und Ronald Reagan sangen.
Anayas Bericht bekam keine Rezensionen, und der Anwalt wurde auch nicht am Tag der Menschenrechte ins Weiße Haus eingeladen. Er erhielt keinen repräsentativen Posten. Er kam durch einen Gefangenenaustausch frei und wurde später, vermutlich von Sicherheitskräften, umgebracht. Über die Todesumstände liegen nur wenige Informationen vor. Die breite Veröffentlichung seiner Dokumentation hätte ihm vielleicht das Leben retten können.
So arbeitet ein gut funktionierendes System zur Herstellung von Konsens. Verglichen mit den Enthüllungen Herbert Anayas sind Valladares' Memoiren nicht einmal drittrangig. Aber die Medien müssen ihren Job erledigen. Ich komme noch einmal auf die bereits erwähnte Untersuchung zurück, die an der Universität von Massachussetts gemacht wurde. Sie stellte den Versuchspersonen auch die Frage, ob die Vereinigten Staaten mit Gewaltanwendung intervenieren sollten, um gegen illegale Besetzungen oder tiefgreifende Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. Zwei Drittel der Befragten bejahten das. Sollten die USA diesem Votum folgen, müßte man El Salvador, Guatemala, Indonesien, Libyen, Israel, Südafrika, die Türkei und noch einige andere Ziele bombardieren. In all diesen Fällen nämlich
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