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sowjetische Friedensangebote als lediglich taktische Manöver, mittels derer die Bolschewisten »ihre Energien auf einen neuen Drang zur Weltrevolution« und die unmittelbar bevorstehende »rote Invasion Europas« konzentrieren würden. Die Bolschewisten seien für die New York Times »zugleich ... Kadaver und weltweite Bedrohung« und die ›Rote Gefahr‹ »taucht an jeder Ecke auf, um den Friedensprozeß und die Erholung des Wirtschaftslebens in Osteuropa und Asien zu stören«. Als Präsident Wilson eine Intervention forderte, sekundierte ihm die New York Times mit dem Rat, »die Bolschewisten aus Petrograd und Moskau« zu vertreiben. 52
Man muß nur ein paar Namen und Daten verändern, um einen Eindruck davon zu gewinnen, wie die US-Medien Indochina und Lateinamerika behandelt haben. Überdies werden die alten Ansichten über die Sowjetunion auch von zeitgenössischen Historikern wiederholt, die die Entwicklung eines alternativen Gesellschaftsmodells schon an sich für eine unzumutbare Einmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten halten. Der Westen hat das Recht, sich dagegen durch Vergeltungsschläge zu wehren, zu denen auch die militärische Intervention in der Sowjetunion nach dem Ersten Weltkrieg zählt. 53 Unter dieser weitverbreiteten Perspektive kann Aggression leicht als Selbstverteidigung gedeutet werden.
Kehren wir zur Politik und Ideologie des Kalten Kriegs zurück. Natürlich ist es unnötig, Gründe zu erfinden, um die brutale Herrschaft der sowjetischen Führer im Land selbst und in den Vasallenstaaten sowie ihre bereitwillige Unterstützung der äthiopischen Militärjunta und der faschistischen Generäle in Argentinien zu kritisieren. Doch eine genaue Untersuchung zeigt, daß die Hauptfeinde die einheimischen Bevölkerungen jener Länder in der Grand Area waren, die falschen Ideen zum Opfer fielen. Solche Abweichungen müssen durch ökonomische, ideologische oder militärische Kriegführung, wo nicht gar durch Terror und Subversion bekämpft werden, während es offiziell natürlich immer gegen den »Kommunismus« geht.
Das sind die Grundelemente der von den USA im Ausland wie im Inland betriebenen Eindämmungspolitik. Im Hinblick auf die Sowjetunion hatte das Konzept nach dem Zweiten Weltkrieg zwei unterschiedliche Formen angenommen. Die »Tauben« waren bereit, der Sowjetunion in etwa jene Gebiete zu belassen, die sie im Krieg gegen Hitler erobert hatte, während die »Falken« eine »Rollback-Strategic« vorschlugen, die kurz vor dem Koreakrieg im Dokument NSC [National Security Council] 68 vom April 1950 ihren Niederschlag fand. Diesem wichtigen Dokument zufolge, das 1975 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, sollte die Eindämmungspolitik »die Keime der Zerstörung innerhalb des Sowjetsystems zur Reife zu bringen« und es ermöglichen, »mit der Sowjetunion (oder einem Nachfolgestaat oder Nachfolgestaaten) über ein Abkommen zu verhandeln«. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg unterstützten die Vereinigten Staaten in der Ukraine und Osteuropa Armeen, die Hitler aufgebaut hatte. Man bediente sich dabei der Hilfe von Reinhard Gehlen, der in der deutschen Wehrmacht den militärischen Geheimdienst an der Ostfront [die Abteilung ›Fremde Heere Ost‹; d. Ü.] geleitet hatte. In der Bundesrepublik baute er, in Zusammenarbeit mit der CIA, einen Nachrichtendienst auf und erhielt die Aufgabe, aus Tausenden von SS-Leuten eine »Geheimarmee« zu bilden, die antisowjetische Truppen in der UdSSR unterstützen sollte. Diese Zusammenhänge sind weitgehend unbekannt, so daß selbst ein erfahrener Auslandsspezialist des Boston Globe, als er die stillschweigende amerikanische Hilfe für den Roten Khmer verurteilte, eine (seiner Ansicht nach absurde) Analogie heranzog: »Es ist so, als hätten die Vereinigten Staaten 1945 eine Nazi-Guerillabewegung augenzwinkernd aufgefordert, die Sowjets zu zermürben.« Genau das aber haben die USA zu Beginn der fünfziger Jahre getan und dabei durchaus nicht gezwinkert. 54
Die Durchsetzung der Eindämmungspolitik in der Grand Area und die Erzeugung der notwendigen Illusionen im eigenen Land kann sich nicht nur auf die unsichtbare Hand des Marktes verlassen, sondern muß periodisch durch gewaltsame Interventionen ergänzt werden. 55 Innenpolitisch hat der Staat Dissens und Opposition oftmals durch Gewalt bekämpft, und die Privatwirtschaft hat immer wieder recht selbstbewußte Feldzüge geführt, um »das Bewußtsein der Öffentlichkeit« zu kontrollieren
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