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Media Control

Media Control

Titel: Media Control Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Chomsky
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Interessen der arbeitenden und armen Bevölkerungsschichten vertreten; doch sind sie ebenso im Niedergang begriffen wie kulturelle Institutionen und politische Organisationsformen, die andere Werte vertreten und den isolierten Individuen die Möglichkeit geben, außerhalb des privatwirtschaftlichen Rahmens zu denken und zu handeln.
    Diese Tendenzen in der kapitalistischen Demokratie gründen in zwei Phänomenen, die Joshua Cohen und Joel Rogers als »Ressourcenbeschränkung« und »Nachfragebeschränkung« bezeichnen. 44 Die Ressourcenbeschränkung liegt offen zutage: Die Kontrolle von Ressourcen ist auf einige wenige Entscheidungsträger konzentriert, was sich unmittelbar auf alle Aspekte des gesellschaftlichen und politischen Lebens auswirkt. Die Nachfragebeschränkung ist eine subtilere Form der Kontrolle, die sich in relativ reibungslos funktionierenden kapitalistischen Demokratien kaum direkt nachweisen läßt. Zu finden ist sie eher in Ländern Lateinamerikas, wo es ein breiteres Spektrum an politischen Optionen wie etwa sozialreformerische Programme gibt. Die Reaktionen auf die Ankündigung oder Durchsetzung solcher Programme sind bekannt: Kapitalflucht, Vertrauensverluste der Investoren und allgemeiner sozialer Niedergang, der einsetzt, wenn diejenigen, denen »das Land gehört«, die Fähigkeit verlieren, es zu regieren. Bisweilen hilft auch ein Militärputsch, der von dem Hüter der Hemisphäre unterstützt wird. Die Nachfragebeschränkung ist eine wohlwollendere Reaktion auf Reformprogramme - zuallererst müssen die Interessen der Mächtigen gewahrt bleiben, wenn die Gesellschaft funktionieren soll.
    Vorrang hat also das Glück derer, die das Land besitzen, denn sie kontrollieren die Investitionen und entscheiden darüber, was produziert und verteilt wird und welche Vergünstigungen diejenigen erhalten, die ihre Arbeitskraft den Eignern zur Verfügung stellen. Mithin wäre es für die Obdachlosen am wichtigsten, für die Zufriedenheit derer zu sorgen, die ein Dach über dem Kopf haben. Angesichts der verfügbaren Optionen und der kulturellen Werte, die die kapitalistische Demokratie befördert, scheint kurzfristige individuelle Gewinnmaximierung, verbunden mit Unterordnung, Gehorsam und dem Rückzug ins Private, der vernünftigste Weg zu sein. Entsprechend begrenzt sind die Möglichkeiten zu politischem Handeln, die, ungeachtet der dadurch verursachten Leiden, äußerst stabil bleiben, was US-Planungsstrategen schon seit langem begriffen haben.
    Aus der gesellschaftlichen Verteilung von Ressourcen und Entscheidungsbefugnissen folgt u.a., daß die politische Klasse und die Kulturverwalter sich mit den die Privatwirtschaft beherrschenden Eliten zusammentun; entweder kommen sie direkt aus diesem Bereich, oder sie hoffen, sich ihm anschließen zu können. Die Radikaldemokraten der Revolution im England des 17. Jahrhunderts hatten noch andere Vorstellungen: »Die Welt ist nicht gut, solange Ritter und Edelleute uns mit ihren Gesetzen Furcht einflößen und unterdrücken wollen und nichts von den Leiden des Volkes wissen. Es wird uns erst gut gehen, wenn wir Parlamente haben, in denen Leute sitzen, wie wir es sind; Leute, die unsere Sorgen kennen.« Aber das Parlament und die Prediger hatten eine andere Vorstellung: »Mit dem Volk meinen wir nicht die unterschiedslos gemischte Gesamtheit der Volksmasse [body of the people]«, erklärten sie. Als sich die Niederlage der Demokraten abzeichnete, blieb, wie es in einer Flugschrift der Leveller hieß, nur noch die Frage, »wessen Sklaven die Armen sein sollen«, des Königs oder des Parlaments. 45
    Die gleiche Kontroverse wurde in der Frühzeit der amerikanischen Revolution ausgetragen. Edward Countryman bemerkt dazu: »Die Gestalter der staatlichen Verfassungen hatten darauf bestanden, daß in den Repräsentativversammlungen alle Schichten der Bevölkerung des jeweiligen Staats vertreten sein sollten«; sie wandten sich gegen eine vom Volk isolierte »Kaste« politischer Führer. Aber die Bundesverfassung »räumte Repräsentanten, Senatoren und dem Präsidenten genau jene außerordentliche Machtposition ein«. Im Zeichen der Konföderation hatten Handwerker, Bauern und andere Angehörige des »gemeinen Volks« [common people] gefordert, von »Männern ihresgleichen« repräsentiert zu werden, denn die Erfahrung der Revolution hatte sie gelehrt, daß sie »so fähig waren wie irgendein anderer zu entscheiden, was an ihrem Leben falsch war, und sich zu organisieren,

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