Media Control
Medien trugen dazu das ihrige bei.
Antworten auf den Terrorismus
Nehmen wir schließlich an, daß wir uns - wie der Marsreporter - von der konventionellen Definition des Terrorismus verabschieden. Wir akzeptieren die moralischen Binsenweisheiten. Nur wenn uns das gelingt, können wir uns aufrichtig der Frage stellen, wie mit terroristischen Verbrechen umzugehen ist.
Man könnte dem Vorbild der gesetzestreuen Staaten, also dem Beispiel Nicaraguas, folgen. Aber das wäre zum Scheitern verurteilt, weil die Welt nicht vom Gesetz beherrscht wird, sondern von der Gewalt. Vielleicht müßte dieses Vorgehen im Hinblick auf die USA nicht scheitern, aber ich habe in der umfangreichen Berichterstattung über die Vorgänge der letzten Monate dazu keinen einzigen Satz gelesen. Also ist das wohl ausgeschlossen.
Eine andere Antwort gaben Bush und Boyce, aber wir verwerfen sie sofort, weil niemand glaubt, daß Haiti oder Nicaragua oder Kuba oder andere Staaten das Recht haben, gegen die USA und ihre Vasallen oder andere reiche und mächtige Staaten mit terroristischer Gewalt vorzugehen.
Eine vernünftigere Antwort gaben andere Quellen, darunter der Vatikan und der herausragende britische Historiker Michael Howard. 9 Dieser Gelehrte verfügt über alles, was zur Glaubwürdigkeit gehört: Er hat viel Prestige und ist ein großer Bewunderer des britischen Empires und mehr noch von dessen Nachfolger in Sachen Weltherrschaft, weshalb man ihn auch nicht des moralischen Relativismus oder ähnlicher Verbrechen bezichtigen kann.
Im Hinblick auf den 11. September empfahl Howard eine Polizeioperation gegen eine kriminelle Verschwörung, deren Mitglieder verfolgt und vor einen internationalen Gerichtshof gebracht werden sollten, wo sie einen fairen Prozeß und, im Falle eines Schuldspruchs, ein angemessenes Urteil zu erwarten hätten. Darüber wurde anderenorts natürlich nicht nachgedacht, aber es scheint mir vernünftig zu sein, denn dieses Verfahren ließe sich auch bei anderen Verbrechen oder noch schlimmeren terroristischen Gewalttaten anwenden, z. B. hinsichtlich des terroristischen Angriffs der USA auf Nicaragua. Auch das wird nicht erwogen, aber aus ganz anderen Gründen.
Die Aufrichtigkeit stellt uns also vor ein Dilemma. Die einfache Antwort ist die der konventionellen Heuchelei. Die andere Option vertritt unser Reporter vom Mars, der ehrlich an die Grundsätze glaubt, die wir mit so großartiger Selbstgerechtigkeit verkünden. Diese Option läßt sich sehr viel schwieriger durchsetzen, doch ist das unerläßlich, wenn der Welt noch größere Katastrophen erspart bleiben sollen.
II. Über die spektakulären Erfolge der Propaganda
Die Rolle der Medien in der gegenwärtigen Politik zwingt uns zu der Frage, in was für einer Welt und in was für einer Gesellschaft wir leben wollen, und vor allem, in welchem Sinn diese Gesellschaft demokratisch verfaßt sein soll. Ich möchte zunächst zwei unterschiedliche Konzeptionen von Demokratie einander gegenüberstellen. Die eine geht davon aus, daß in einer demokratischen Gesellschaft die Bevölkerung die Möglichkeit hat, sich auf sinnvolle Weise an der Regelung ihrer Angelegenheiten zu beteiligen und ungehinderten Zugang zu den Informationsmitteln besitzt. Wenn man in einem Lexikon den Begriff »Demokratie« nachschlägt, wird man eine Definition dieser Art erhalten.
Eine andere Konzeption besagt, daß die Bevölkerung von der Regelung ihrer Angelegenheit ausgeschlossen und der Zugang zu den Informationsmitteln streng begrenzt und kontrolliert werden muß. Das mag sich seltsam anhören, aber diese Konzeption von Demokratie ist die vorherrschende, und das schon seit langem, in der Theorie ebenso wie in der Praxis. Es ist eine Geschichte, die bis zu den frühesten demokratischen Revolutionen im England des 17. Jahrhunderts zurückreicht. Ich betrachte im folgenden die Epoche der Moderne, sage etwas zur Entwicklung des Demokratiebegriffs und erörtere, wie und warum das Problem der Medien und der Desinformation in diesem Zusammenhang auftaucht.
Frühgeschichte der Propaganda
Beginnen wir mit der ersten modernen Propagandaoperation einer Regierung. Sie fand während der Amtszeit von Woodrow Wilson statt, der 1916 mit dem Slogan »Frieden ohne Sieg« zum Präsidenten der USA gewählt worden war. Zu der Zeit, Mitte des Ersten Weltkriegs, war die amerikanische Bevölkerung äußerst pazifistisch gesonnen und sah keinen Grund, sich in einen europäischen Krieg hineinziehen zu lassen.
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