Media Control
zahlreichen Massakern und Deportationen, deren Opfer von den Oberkommandierenden so genannte »terroristische Dorfbewohner« waren. »Eiserne Faust« gehörte zu den Kandidaten für das schlimmste terroristische Verbrechen des Jahres 1985, also zu jenem Zeitpunkt, als der »internationale Terrorismus« weltweit Schlagzeilen machte.
Es gab noch Mitbewerber. Zu ihnen zählte das Attentat mittels einer Autobombe, die Anfang 1985 in Beirut gezündet wurde. Sie war darauf eingestellt, in dem Augenblick hochzugehen, da die Besucher einer Moschee den Gottesdienst verließen, weil eine möglichst hohe Zahl von Opfern angepeilt worden war. Einem ziemlich gruseligen Bericht der Washington Post zufolge wurden achtzig Personen getötet und mehr als zweihundertundfünfzig verwundet. 8 Die schwere Bombe tötete nicht nur Frauen und Mädchen, sondern sogar Säuglinge in ihren Betten. Aber das ist kein Terrorismus, weil diese Aktion von der CIA und dem britischen Geheimdienst organisiert wurde und damit als Kandidat ausfällt.
Somit bleibt noch ein Mitbewerber für den Preis, nämlich Israels Bombardierung von Tunis, bei der fünfundsiebzig Personen starben; in der israelischen Presse gab es darüber einige Berichte von guten Reportern. Die USA waren an dieser Greueltat beteiligt, weil sie ihren tunesischen Verbündeten nicht über den bevorstehenden Angriff informierten. Vielmehr setzte Außenminister George Shultz den israelischen Außenminister, Jitzhak Schamir, davon in Kenntnis, daß die USA diese Aktion mit einiger Sympathie betrachteten, zog jedoch seine Befürwortung zurück, als der UN-Sicherheitsrat das Vorgehen einmütig als bewaffnete Aggression verurteilte (die USA enthielten sich der Stimme).
Wir wollen, wie im Fall Nicaraguas, Washington und seinen Vasallen, ein in dubio pro reo einräumen und davon ausgehen, daß die Bombardierung von Tunis lediglich ein Akt des internationalen Terrorismus war und nicht etwa, wie der Sicherheitsrat entschied, bewaffnete Aggression, weil wir sonst als Vergleichsmaßstab die Nürnberger Prozesse heranziehen müßten.
Diese drei Fälle sind die Höhepunkte der zahlreichen Greueltaten des Jahres 1985. Ein paar Wochen nach der Bombardierung von Tunis kam Premierminister Schimon Peres nach Washington, um gemeinsam mit Präsident Reagan die »Geißel des Terrorismus« im Nahen Osten zu beklagen. Das rief keine Kommentare hervor, weil die Bombardierung von Tunis ja kein Terrorismus war. Terrorismus ist, was man uns antut. Wenn wir anderen noch Schlimmeres antun, ist das kein Terrorismus. Zumindest der Marsbewohner könnte diese Diskrepanz bemerken.
Meine absolute Lieblingsrezension bekam ich, als ich vor einigen Jahren über dieses Thema schrieb. In der Washington Post (vom 18. September 1988) widmete deren Nahostkorrespondent meinem Artikel zwei Worte; er beschrieb ihn als »breathlessly deranged« - auf atemlose Weise geistig verwirrt. Das gefällt mir. Mit der Atemlosigkeit hatte er sicherlich nicht recht, der Artikel war in eher ruhigem Tonfall verfaßt - aber »geistig verwirrt« ist richtig. Man muß wohl geistig verwirrt sein, um elementare moralische Binsenweisheiten zu akzeptieren und Tatsachen zu beschreiben, die nicht beschrieben werden sollten.
Verachtenswürdige Entschuldigungen
Kehren wir zu unserem Marsreporter zurück. Er könnte sich fragen, warum im Hinblick auf den internationalen Terrorismus im Nahen Osten gerade das Jahr 1985 den Höhepunkt für die Rückkehr zur Barbarei durch die Gegner der Zivilisation darstellen soll. Er könnte sich das fragen, weil selbst die schlimmsten Beispiele für internationalen Terrorismus in dieser Region wie auch in Mittelamerika in den schwarzen Löchern des historischen Gedächtnisses verschwunden sind. Und mit ihnen viele andere, von denen manche sich erst kürzlich ereignet haben.
Einige Fälle von 1985 sind jedoch noch gut in Erinnerung. Der offizielle Preis gebührt der Entführung der Achille Lauro und dem Mord an dem körperlich behinderten Amerikaner Leon Klinghoffer. Das war zweifellos, wie wir alle noch wissen, eine schreckliche Untat. Allerdings bezeichneten deren Urheber sie als Vergeltung für die Bombardierung von Tunis, die ein weitaus dramatischerer Fall von internationalem Terrorismus war, aber wir haben diese Rechtfertigung mit der ihr gebührenden Verachtung zurückgewiesen.
Und all jene, die sich nicht als Feiglinge und Heuchler begreifen, werden diese grundsätzliche Haltung gegenüber allen anderen
Weitere Kostenlose Bücher