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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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übergewichtiger Mann Ende der Dreißig, der seinen Gastgeber respektvoll mit Mr. Geiger anredete, ihn aber bat, ihn Joe zu nennen.
    Seine lebendigen, leicht schielenden Augen schauten durch eine Nickelbrille nachdenklich in die Welt. Sein nicht unangenehmes Gesicht war eingerahmt von einem kurzen Bart und einem schütteren, stark zurückweichenden Schöpf brauner Haare. Wenn Lillian ihn später Bekannten beschrieb, pflegte sie immer zu sagen, er habe »eine hohe Stirn«.
    Joe Regensberg kam an einem Freitag auf die Farm, gerade rechtzeitig zum Sabbat-Mahl. Den Abend und den folgenden Tag verbrachte er in entspannter Atmosphäre im Kreis der Geiger-Familie. Am Samstagmorgen las er mit Jason in der Heiligen Schrift und studierte das Buch Leviticus. Nach einem kalten Mittagessen besichtigte er den Stall und die Apotheke und spazierte dann, dick eingehüllt gegen die Kälte eines trüben Tages, mit der Familie zu den Feldern, die auf die Aussaat warteten.
    Die Geigers beendeten den Sabbat mit einem Cholent , einer Mahlzeit aus Bohnen, Fleisch, Perlgraupen und Dörrpflaumen, die bereits seit dem Freitagnachmittag auf heißen Kohlen schmorte, denn den Juden war es verboten, während des Sabbats ein Feuer anzuzünden. Danach gab es Musik, wobei Jason den ersten Teil einer Violinsonate von Beethoven spielte und dann das Instrument an seine Tochter weitergab. Rachel machte es Spaß, das Stück zu beenden, während der Fremde ihr mit offensichtlichem Vergnügen zusah. Am Ende des Abends ging Joe Regensberg zu seiner großen, gewirkten Reisetasche und packte Geschenke aus: einen Satz Backformen für Lillian aus der Blechwarenfabrik, die er in Chicago besaß, eine Flasche guten, alten Brandys für Jay und für Rachel ein Buch, »Die Pickwickier«.
    Rachel fiel auf, dass ihre Brüder keine Geschenke erhielten. Auf einen Schlag wurde ihr die Bedeutung dieses Besuchs bewusst, Verwirrung und Angst überfielen sie. Mit Lippen, die sich steif und taub anfühlten, dankte sie Regensberg und sagte, sie schätze die Werke von Mr. Dickens, habe bis jetzt aber nur »Nickolas Nickleby« gelesen. >»Die Pickwickier< ist eins meiner Lieblingsbücher«, sagte er. »Wir müssen uns darüber unterhalten, wenn Sie es gelesen haben.« Man konnte Joe Regensberg nicht ernsthaft als attraktiv bezeichnen, aber er hatte ein intelligentes Gesicht. Nur ein außergewöhnlicher Mann, dachte sie hoffnungsvoll, schenkt einer Frau in einer solchen Situation ein Buch.
    »Ich dachte mir, es ist ein passendes Geschenk für eine Lehrerin«, sagte als könne er ihre Gedanken lesen. Sein Anzug saß besser als die Anzüge aller Männer, die sie kannte, wahrscheinlich hatte er einen besseren Schneider. Wenn er lächelte, bekam er lustige kleine Fältchen um die Augen.
    Jason hatte an Benjamin Schoenberg, den Schadchan in Peoria, geschrieben und zur Sicherheit auch noch an einen Heiratsvermittler namens Solomon Rosen in Chicago, wo es eine immer größer werdende jüdische Gemeinde gab. Schoenberg hatte in einem blumigen Brief geantwortet, er habe eine Reihe junger Männer bei der Hand, die wunderbare Gatten abgeben würden und die er den Geigers bei ihrem nächsten Besuch in Peoria vorstellen werde. Solomon Rosen dagegen hatte gehandelt. Einer seiner besten Heiratsanwärter war Johann C. Regensberg. Als dieser erwähnte, er müsse ins westliche Illinois reisen, um Geschäfte zu besuchen, die seine Blechwaren führten, darunter auch einige in Rock Island und Davenport, hatte Solomon Rosen für ihn den Besuch bei den Geigers arrangiert. Einige Wochen nach dem Besuch traf ein Brief von Mr. Rosen ein. Rachel habe auf Johann Regensberg einen sehr vorteilhaften Eindruck gemacht. Mr. Rosen teilte ihnen mit, dass die Familie Regensberg Jichuss habe, die wahre Vornehmheit, die von einer langen Ahnenreihe herausragender Gemeindemitglieder herrühre. Mr. Regensbergs Vorfahren ließen sich bis ins vierzehnte Jahrhundert zurückverfolgen, und unter ihnen seien viele Lehrer und Schriftgelehrte. Doch dann verdüsterte sich Jay s Gesicht, als er weiter vorlas, denn was nun folgte, fasste er als Beleidigung auf. Johanns Eltern, Leon und Golda Regensberg, waren tot. Ihre Aufgabe in dieser Angelegenheit hatte Mrs. Harriett Ferber übernommen, die Schwester des verstorbenen Leon. Und diese Mrs. Ferber forderte auf Grund der Familientradition ein Attest oder einen anderen Beweis für die Jungfräulichkeit der zukünftigen Braut.
    »Wir sind doch nicht in Europa! Und sie kaufen keine

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