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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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»Dieses Jahr brauchen wir deine Hilfe dringend«, sagte Rob J. zu ihm. »Alden und Alex wollen es zwar nicht zugeben, aber nicht einmal drei Männer schaffen die Arbeit, die Der singend einhergeht ganz alleine erledigt hat.« Außerdem, sagte er, werde die Herde jedes Jahr größer, und sie müssten immer neue Weiden einzäunen. »Ich habe mit Dorothy Cowan und mit Rachel gesprochen. Beide haben den Eindruck, dass du alles gelernt hast, was du in unserer Schule lernen kannst. Außerdem meinen sie, dass du keine Sprechübungen mehr brauchst, und« - er grinste Shaman an - »ich muss sagen, ich bin ganz ihrer Meinung. Für mich klingt deine Aussprache ganz in Ordnung.« Rob J. fügte aber sofort hinzu, dass Shamans Mitarbeit kein Dauerzustand werden solle. »Ich weiß, dass du kein Farmer werden willst. Aber wenn du uns jetzt hilfst, können wir uns später überlegen, was du als nächstes tun sollst.« Alden und Alex übernahmen das Schlachten der Lämmer. Shamans Aufgabe war es, Zaunhecken zu säen, sobald die Erde aufgegraben werden konnte. Die üblichen Weidezäune hatten bei Schafen wenig Sinn, da die Tiere ohne Schwierigkeiten zwischen den Pfosten hindurchschlüpften, und außerdem konnten Raubtiere leicht eindringen. Um eine neue Weide einzugrenzen, pflügte Shaman am Rand entlang einen schmalen Streifen und säte Osagedorn an. Er musste vorsichtig säen, denn der Samen kostete zehn Dollar pro Kilo. Die Pflanzen wuchsen kräftig und buschig und hatten lange, spitze Dornen, die die Schafe drinnen und Kojoten und Wölfe draußen hielten. Der Osagedorn brauchte drei Jahre, um eine dichte Hecke zu bilden, aber Rob J. hatte von Anfang an solche Dornenhecken gepflanzt, und als Shaman mit der Aussaat fertig war, nahm er eine Leiter und machte sich daran, die alten zurechtzustutzen. Das Zuschneiden dauerte einige Tage, und danach musste er Steine von den Weiden auflesen, Feuerholz hacken, Zaunpfosten zurechtschneiden und dort, wo die Weiden an den Wald grenzten, Baumstümpfe ausgraben.
    Seine Hände und Arme waren von den Dornen zerkratzt, seine Handflächen wurden schwielig, seine Muskeln schmerzten zuerst und wurden dann hart. Sein Körper veränderte sich, seine Stimme wurde tiefer. Nachts hatte er sexuelle Träume. Manchmal konnte er sich nicht an den Traum erinnern oder wusste nicht mehr, welche Frau darin vorgekommen war, doch einige Male hatte er nach dem Aufwachen deutlich Rachels Bild vor sich. Zumindest einmal, das wusste er, war Makwa die Frau gewesen, was ihn verwirrte und ängstigte. Er versuchte vergeblich, die verräterischen Spuren von seinem Laken zu entfernen, bevor es in die Wäsche kam. Jahrelang hatte er Rachel jeden Tag gesehen, jetzt sah er sie kaum noch. An einem Sonntagnachmittag ging er zu ihr hinüber, doch ihre Mutter öffnete ihm. »Rachel ist im Augenblick beschäftigt und kann dich nicht sehen. Ich soll dir viele Grüße ausrichten, Rob J.«, sagte sie nicht unfreundlich. Manchmal, wenn die Familien sich an einem Samstagabend zu Musik und Gesprächen trafen, gelang es ihm, sich neben Rachel zu setzen und mit ihr über die Schule zu reden. Er vermisste das Unterrichten und die Schüler, fragte nach ihnen und half ihr, Stunden vorzubereiten. Aber sie wirkte eigentümlich befangen.- Die Wärme und die helle Fröhlichkeit, die er an ihr immer so gemocht hatte, schienen fast erstickt - wie ein Feuer mit zuviel Holz. Wenn er einen Spaziergang vorschlug, war es, als würden die Erwachsenen im Zimmer auf Rachels Antwort lauern und sich erst entspannen, wenn sie ablehnte und sagte, sie habe im Augenblick keine Lust auf einen Spaziergang, aber vielen Dank, Shaman.
    Ihre Mutter und ihr Vater hatten Rachel die Situation erklärt, hatten ihr mit viel Verständnis von der Vernarrtheit eines Jungen erzählt, ihr aber auch klargemacht, dass es ihre Aufgabe sei, diese Vernarrtheit auf keinen Fall zu ermutigen. Es fiel ihr sehr schwer. Shaman war ihr Freund, er fehlte ihr. Sie machte sich Sorgen um seine Zukunft, doch auch in ihrem Leben tat sich ein Abgrund auf, und es erforderte einen Großteil ihrer Angst und Sorge, dessen düstere Tiefen zu erkunden. Sie hätte eigentlich erkennen müssen, dass Shamans Vernarrtheit die Veränderung ihres Lebens beschleunigte, doch ihre Abneigung gegen das, was ihr bevorstand, war so stark, dass sie Johann C. Regensberg, als er für ein Wochenende zu Besuch kam, lediglich als Freund ihres Vaters betrachtete. Er war ein freundlicher, mittelgroßer und leicht

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