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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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und tätschelte ihre Hand.
    Er verabschiedete sich so unauffällig wie möglich von seinen Freunden. Mater Ferocia hörte ihm mit fast versteinerter Resignation zu. Es gehört zum Leben der Nonnen, dachte er, sich von Menschen zu verabschieden, die ein Teil ihres Lebens geworden sind. Sie gehen, wohin Gott sie schickt, und in dieser Hinsicht sind sie wie Soldaten. Er nahm das mee-shome und einen kleinen Koffer und ließ sich am Morgen des 12. August 1862 von Sarah zur Dampferanlegestelle von Rock Island bringen. Sie weinte und küsste ihn in wilder Verzweiflung wieder und wieder auf den Mund, ohne sich um die neugierigen Blicke der anderen Leute auf dem Pier zu kümmern.
    »Schon gut, mein Mädchen, schon gut!« Er drückte sie sanft an sich. Es schmerzte ihn, sie zu verlassen, und so empfand er es als Erleichterung, an Bord zu gehen und ihr zuzuwinken, als die Sirene zwei kurze Signale und ein langes ausstieß und der Dampfer in den Strom hinaussteuerte, um sich schnell zu entfernen. Er blieb fast während der ganzen Fahrt stromabwärts auf Deck. Er liebte den Mississippi, und es machte ihm Spaß, den regen Verkehr auf dem Strom zu beobachten. Der Süden hatte kühnere und zähere Soldaten und weit bessere Generäle gehabt als der Norden, aber als die Unionstruppen in diesem Frühling New Orleans eingenommen hatten, kam das der Vorherrschaft des Nordens über den unteren und oberen Abschnitt des Mississippi gleich. Mit dem Tennessee und anderen kleineren Flüssen hatte die Union nun einen Wasserweg direkt in den verwundbaren Bauch des Südens.
    Ein militärischer Brückenkopf entlang dieser Wasserstraße war Cairo, wo Rob J. seine Fahrt mit der War Hawk begonnen hatte. Und hier ging er jetzt von Bord. Diesmal war die Stadt nicht überflutet, aber das machte sie kaum liebenswerter, denn Tausende von Soldaten kampierten am Stadtrand, und die Auswirkungen dieser konzentrierten Menschenansammlung waren in die Stadt übergeschwappt: Müll, tote Hunde und faulender Unrat türmten sich in den Straßen vor den gepflegten Häusern. Rob J. folgte dem Militärverkehr zum Lager, wo er von einem Posten aufgehalten wurde. Er wies sich aus, bat, zum kommandierenden Offizier gebracht zu werden, und stand kurz darauf Colonel Sibley von den 67. Pennsylvania Volunteers gegenüber. Das 67. Regiment habe bereits die zwei Ärzte, die ihm laut Verteilerschlüssel zustünden, sagte der Colonel. Es befänden sich jedoch noch drei weitere Regimenter im Lager, das 42. Kansas, das 106. Kansas und das 23. Ohio, und beim 106. Kansas sei noch eine Stelle für einen Assistenzarzt frei. Und so begab sich Rob J. als nächstes dorthin. Der kommandierende Offizier des 106. Regiments war ein Colonel namens Frederick Hilton, den Rob J. vor seinem Zelt antraf, wo er Tabak kauend an einem kleinen Tisch saß und schrieb. Hilton wollte ihn unbedingt haben. Er stellte ihm den Dienstgrad eines Leutnants in Aussicht (»und so bald wie möglich Captain«) und bot ihm eine Jahresverpflichtung als stellvertretender Regimentsarzt an. Doch Rob J. hatte vor seiner Abreise aus Holden’s Crossing viel nachgeforscht und nachgedacht. Wenn er sich dazu entschlossen hätte, die Prüfung als Generalstabsarzt abzulegen, hätte er sich für einen Majorsrang, einen ansehnlichen Sold und eine Stellung als Sanitätsoffizier oder Stabsarzt in einem Hauptlazarett qualifiziert - er aber wusste, was er wollte. »Keine Offiziersstelle. Die Army stellt auch zivile Ärzte auf Zeit ein -und ich werde auf der Basis eines Dreimonatsvertrages für Sie arbeiten.«
    Hilton zuckte mit den Achseln. »Ich werde die Papiere entsprechend ausstellen. Kommen Sie nach dem Abendessen her, und unterschreiben Sie! Achtzig Dollar im Monat, und Sie bringen Ihr eigenes Pferd mit. Ich kann Sie zu einem Uniformschneider in der Stadt schicken.«
    »Ich werde keine Uniform tragen.«
    Der Colonel sah ihn befremdet an. »Das wäre aber ratsam. Diese Männer hier sind Soldaten - von einem Zivilisten werden sie sich kaum etwas sagen lassen.«
    »Darauf lasse ich es ankommen.«
    Colonel Hilton nickte gleichgültig und spuckte Tabaksaft auf den Boden. Dann rief er einen Sergeanten zu sich und befahl ihm, Dr. Cole zum Zelt der Sanitätsoffiziere zu bringen.
    Sie waren erst ein paar Meter gegangen, als die ersten Töne des Zapfenstreichs erklangen: Die Zeremonie des Flaggeneinholens bei Sonnenuntergang begann. Alle Geräusche im Militärlager verstummten, als die Männer mit dem Gesicht zur Fahne zackig

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