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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Trommler machte, sondern auch oft dazu führte, dass er beim Marschieren aus dem Tritt kam und sein Kopf sich dann plötzlich asynchron zu den anderen bewegte. »Ordway, Lanning«, setzte er seine Aufzählung fort. Der Doktor quittierte diesen Vorschlag mit einem leichten Nicken. »F-Horn.« Ein mittelmäßiger Musiker und Kutscher eines der Fahrzeuge der Kapelle, der manchmal auch als Hilfsarbeiter eingesetzt wurde. Als Hornist vor allem geeignet, um an den Mittwochabenden für die Soldaten aufzuspielen oder wenn sie sitzend übten, aber sein Hinken gestattete ihm nicht zu marschieren, ohne das Bild militärischer Präzision zu zerstören. »Perry, Addison, Piccoloflöte und Querpfeife.« Ein schlechter Musiker und sowohl körperlich als auch kleidungsmässig ungepflegt. »Robinson, Lewis, Kornett.« Ein fähiger Musiker, musste Fitts insgeheim zugeben, doch ein ständiges Ärgernis, weil er ein Klugscheißer mit Ehrgeiz war. Mehrmals hatte er Fitts Stücke gezeigt, die er seiner Aussage nach komponiert hatte, und gefragt, ob die Kapelle sie vielleicht spielen könne. Überdies behauptete er, in Columbus, Ohio, als Dirigent gearbeitet zu haben. Fitts konnte niemanden gebrauchen, der ihm über die Schulter sah oder ihn gar verdrängen wollte. »Und?« fragte Rob J.
    »Sonst keinen.«
    Den ganzen Winter hindurch beobachtete Rob J. den Mann unruhig aus der Ferne. Ordways Dienstzeit war zwar noch nicht zu Ende, doch es wäre kein Problem gewesen, zu desertieren und zu verschwinden. Aber was auch immer die Mehrheit an die Army band, es funktionierte auch bei Ordway, und so meldete er sich mit den vier anderen bei Rob J. - ein für einen mutmaßlichen Mörder gar nicht unangenehm aussehender Bursche, wenn man von seinen wässrigen, unsteten Augen absah.
    Keiner von den fünfen war von der neuen Aufgabe begeistert. Lewis Robinson reagierte sogar mit regelrechter Panik: »Ich muss musizieren! Ich bin Musiker, kein Doktor!«
    »Bahrenträger«, korrigierte ihn Rob J. »Wenn es erforderlich ist, werden Sie als Bahrenträger arbeiten«, beschied er allen. Er bat den Kapellmeister, die Männer gänzlich freizustellen, was ihm mit verdächtiger Bereitwilligkeit gewährt wurde. Um sie in die ungewohnte Tätigkeit einzuführen, begann er damit, ihnen beizubringen, Bandagen aufzurollen und Kompressen herzustellen. Danach simulierte er die verschiedensten Verletzungen und zeigte ihnen, wie man die erforderliche Kompresse auflegte. Er lehrte sie, wie die Verwundeten hochzuheben und zu tragen waren, und stattete jeden Mann mit einem kleinen Rucksack aus, der Kompressen, Verbandsmaterial, einen Behälter mit frischem Wasser sowie Opium und Morphium in Pulver und Tablettenform enthielt.
    Zur medizinischen Ausrüstung der Army gehörten auch Schienen, doch die gefielen Rob J. nicht, und er beschaffte Holz, aus dem er die Bahrenträger unter seiner Anleitung Schienen anfertigen ließ. Abner Wilcox erwies sich als geschickter Schreiner und als erfindungsreich dazu. Er konstruierte eine ganze Anzahl leichtgewichtiger Tragbahren, indem er Segeltuch zwischen zwei Holzstangen spannte. Der Versorgungsoffizier bot einen zweirädrigen Karren als Ambulanzfahrzeug an, doch Rob J. war jahrelang auf schlechten Straßen zu Hausbesuchen gefahren, und er wusste, dass man für den Transport Verwundeter in unebenem Gelände die Sicherheit von vier Rädern brauchte. Er trieb einen stabilen offenen Wagen auf, und Wilcox versah ihn mit einem Aufbau. Sie strichen das Fahrzeug schwarz an, und Ordway kopierte von einer Kiste mit medizinischer Ausrüstung den Merkurstab, das Symbol der Militärärzte, und malte ihn in Silber auf beide Seitenwände. Rob J. schwatzte dem Generalquartiermeister zwei hässliche, aber starke Arbeitspferde ab - »Ausschuss« wie der Rest des Rettungstrupps. Die fünf Männer entwickelten gegen ihren Willen eine Art Gruppenstolz, doch Robinson äußerte sich offen über das größere Risiko, das ihre neue Aufgabe mit sich brachte. »Natürlich ist es riskant«, gab Rob J. zu. »Die Infanterie an der Front sieht dem Tod ins Gesicht, und jeder Kavallerieangriff birgt Gefahren - sonst brauchten wir ja keine Bahrenträger!«
    Er hatte schon immer gewusst: Krieg korrumpiert. Doch jetzt musste er feststellen, dass Krieg ihn ebenso korrumpiert hatte wie alle anderen. Er würde diese fünf jungen Männer wieder und wieder hinausschicken, damit sie Verwundete bargen, als könnten sie Gewehrkugeln abwehren und Artilleriefeuer einfach

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