Medicus 02 - Der Schamane
Kopf und Füßen galt, und unter dem Gejohle der Kameraden wurden manche zurück ins Wasser geschickt, um sich noch einmal zu reinigen. Viele der Uniformen waren zerfetzt oder fleckig und aus minderwertigem Tuch gefertigt, doch Colonel Symonds hatte eine Reihe neuer Uniformen angefordert, und als sie an die Männer verteilt wurden, nahmen diese zu Recht an, dass ihre Verschiffung bevorstehe. Beide Kansas-Regimenter waren per Dampfschiff den Mississippi hinuntergebracht worden. Es hieß, sie würden Grants Armee bei der Eroberung von Vicksburg unterstützen und das 119. Indiana solle folgen. Doch am Nachmittag des 27. Mai, als Warren Fitt’s Kapelle zackig, aber mit unüberhörbaren Nervositätsfehlern aufspielte, wurde das Regiment anstatt zum Fluss zum Bahnhofsgelände geführt. Soldaten und Pferde wurden in gedeckte Güterwagen verfrachtet, diese mit Plattform- und Salonwagen zu langen Zügen zusammengekoppelt, und zwei Stunden später verabschiedete sich das 119. von Cairo in Illinois.
Der Arzt und die Bahrenträger reisten in einem Sanitätswaggon. Als sie Cairo verließen, war er ansonsten leer, doch nach etwa einer Stunde wurde ein junger gemeiner Soldat gebracht, der in einem der Güterwagen ohnmächtig geworden war. Rob J. stellte fest, dass er vor Fieber glühte und phantasierte. Er wusch den Jungen mit Alkohol ab und beschloss, ihn bei nächster Gelegenheit in ein Krankenhaus bringen zu lassen. Rob J. bewunderte den Sanitätswaggon, der von unschätzbarem Wert gewesen wäre, wenn sie sich auf dem Rückweg von einer Schlacht befunden hätten und nicht auf dem Weg zu einer solchen. Auf beiden Seiten des Ganges waren über die ganze Länge des Wagens in drei Reihen übereinander Bahren angebracht. Jede hing in Gummischlaufen, und das elastische Material glich einen Großteil des Hol-perns und Schwankens während der Fahrt aus. Da es noch an Patienten mangelte, hatten die fünf frischgebackenen Corporale je eine Bahre besetzt und waren übereinstimmend der Meinung, dass sie auch als Generäle nicht komfortabler hätten reisen können. Addison Perry, der schon bewiesen hatte, dass er überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit schlafen konnte, schnarchte bereits, und auch der junge Lawrence schlief. Lewis Robinson hatte sich eine Bahre unter der Laterne ausgesucht und zeichnete hier mit einem Bleistift kleine schwarze Punkte auf ein Stück Papier: Er komponierte. Sie hatten keine Ahnung, wohin sie fuhren. Als Rob J. zum Ende des Waggons ging und die Tür öffnete, wurde das Rattern des Zuges beträchtlich lauter. Er schaute zu den Lichtpunkten am Himmel hinauf und entdeckte den Kleinen Bären. Sein Blick suchte den äußersten Stern am Schwanzende und fand den Polarstern. »Wir fahren nach Osten«, erklärte er, als er zurückkam.
»Scheiße!« fluchte Abner Wilcox voller Inbrunst. »Sie schicken uns zur Potomac-Army.« Lewis Robinson hörte auf zu komponieren. »Und was ist dagegen zu sagen?«
»Die Potomac-Army hat noch nie was geleistet. Die sitzen fast nur herum. Und wenn sie alle Jubeljahre mal kämpfen, dann schaffen es diese Keksköpfe immer, gegen die Rebellen zu verlieren. Ich wollte zu Grant. Das ist ein General!«
»Wenn man nur herumsitzt, wird man wenigstens nicht umgebracht«, gab Robinson zu bedenken. »Mir stinkt’s, nach Osten zu gehen«, sagte Ordway. »Der ganze verdammte Osten ist verseucht mit Iren, diesem römisch-katholischen Gesocks.«
»Bei Fredericksburg hat sich niemand besser geschlagen als die Irische Brigade«, wandte Robinson ein und fügte dann kleinlaut hinzu: »Die meisten sind allerdings umgekommen.«
Rob J. fasste einen spontanen Entschluss. Er legte die Zeigefingerspitze unter sein rechtes Auge und ließ sie langsam an seiner Nase entlang abwärts gleiten: Das war das Signal eines Mitglieds des Geheimbundes an ein anderes, den Mund zu halten.
Funktionierte es, oder war es Zufall? Lanning Ordway starrte ihn einen Moment lang an, hörte dann auf zu reden und legte sich schlafen.
Um drei Uhr morgens gab es einen langen Aufenthalt in Louisville, als eine Artillerieeinheit zustieg. Die Nachtluft war schwerer als in Illinois und weicher. Diejenigen, die wach waren, verließen den Zug, um sich die Beine zu vertreten, und Rob J. sorgte dafür, dass der fiebernde Junge ins örtliche Krankenhaus gebracht wurde. Anschließend ging er an den Schienen entlang und kam an zwei pinkelnden Männern vorbei. »Keine Zeit, hier Gräben zu ziehen, Sir«, sagte der eine. Der Doktor in
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