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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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anzuschließen.« Die Offiziere nahmen die Neuigkeit gelassen auf. Sie zogen mehrere Ringe von Postenketten um das Camp, und dann bereitete sich das Lager für die Nacht vor. Nachdem Rob J. seine Ration Schweinefleisch mit Bohnen gegessen hatte, legte er sich zurück und blickte in den sternenübersäten Himmel. Es ging über seine Vorstellungskraft sich die Masse von Menschen auszumalen, die da ins Feld geführt werden sollten. Etwa neunzigtausend Konföderierte! Etwa einhundertzweiundzwanzigtausend Unionssoldaten! Und alle würden ihr Bestes tun, sich gegenseitig umzubringen!
    Es war eine schöne Nacht. Die Männer lagen auf dem warmen Boden, ohne sich die Mühe zu machen, Zelte aufzuschlagen. Die meisten waren noch erkältet, und ihr Husten hätte jedem in der Nähe befindlichen Feind ihre Anwesenheit verraten. Mit Schaudern stellte Rob J. sich vor, wie es sich anhören mochte, wenn einhundertzweiundzwanzigtausend Männer gleichzeitig husteten. Er schlang die Arme um seinen Körper, weil ihn plötzlich fror. Wenn zwei so riesige Armeen aufeinanderprallten, waren mehr Männer nötig, um die Verwundeten abzutransportieren, als seine Regimentsmusiker.
    Der Marsch nach Fredericksburg nahm zweieinhalb Tage in Anspruch. Auf dem Weg machten sie Bekanntschaft mit Virginias »Geheimwaffe«: dem Chigger, einer Zeckenart. Die winzigen roten Tierchen ließen sich auf die Männer fallen, wenn sie unter tiefhängenden Ästen hindurchgingen, und blieben hängen, wenn sie durch hohes Gras marschierten. Haftete das Tier einmal an der Kleidung, wanderte es weiter, bis es nackte Haut erreichte, um sich dann mit seinem ganzen Körper ins Fleisch einzugraben. Bald saßen die Chigger zwischen den Fingern, Zehen und Hinterbacken und auf dem Penis der Soldaten. Die Zecke hatte einen zweigeteilten Leib. Wenn ein Soldat einen Chigger dabei erwischte, wie er sich gerade ins Fleisch bohren wollte, und versuchte, ihn herauszuziehen, riss er an der schmälsten Stelle ab, und der Teil, der festsaß, richtete genausoviel Schaden an, wie das ganze Tier es getan hätte. Am dritten Tag kratzten sich die meisten Soldaten fluchend, und die Wunden begannen in der feuchten Hitze schnell zu eitern. Rob J. konnte nicht mehr tun, als Schwefelpuder auf die festgebissenen Tiere streuen, doch einige der Männer hatten Erfahrung mit dieser Plage und erklärten den anderen, dass das einzig wirksame Hilfsmittel sei, das glühende Ende eines Stockes oder einer Zigarre nahe an die Haut zu halten, bis der Chigger, angezogen von der Hitze, den Rückweg antrete. Dann könne man ihn langsam und vorsichtig herausziehen, damit er nicht abriss. Und so entfernten bald allenthalben Männer einander die Tierchen. Das Bild erinnerte Rob J. an die Affen im Edinburgher Zoo, die er oft dabei beobachtet hatte, wie sie sich gegenseitig nach Läusen absuchten. Doch die Chigger-Plage lenkte nur kurzfristig von der Angst ab. Je näher sie Fredericksburg kamen, wo bei der vorangegangenen Schlacht ein solches Gemetzel unter den Yankees angerichtet worden war, um so größer wurde die Anspannung. Als sie aber eintrafen, sahen sie überall nur Unionsblau: Robert E. Lee hatte mehrere Tage zuvor im Schutz der Nacht seine Truppen in aller Stille abgezogen. Seine Northern-Virginia-Army war auf dem Weg nach Norden. Die Unionskavallerie überwachte zwar Lees Marsch, doch die Potomac-Army heftete sich nicht an seine Fersen. Den Grund dafür kannte nur General Hooker.
    Das 119. Indiana lagerte sechs Tage bei Fredericksburg. Man ruhte sich aus, behandelte die Blasen an den Füßen, entfernte Chigger und reinigte und ölte die Waffen. In der Freizeit stiegen die Soldaten grüppchenweise auf die Berge, wo nur ein halbes Jahr zuvor fast dreizehntausend Unionssoldaten gefallen oder verwundet worden waren. Als sie hinunterblickten und sahen, welch leichtes Ziel ihre nachkommenden Kameraden boten, waren sie heilfroh, dass General Lee vor ihrem Eintreffen abgezogen war.
    Als Symonds neue Befehle bekam, mussten sie wieder in Richtung Norden. Sie marschierten gerade auf einer staubigen Straße, als die Nachricht eintraf, dass Winchester, wo sie den Truppenzug verlassen hatten, durch Konföderierte unter General Richard S. Ewell überrollt worden sei. Ein weiterer Sieg der Rebellen: fünfundneunzig Unionssoldaten getötet, dreihundertachtundvierzig verwundet und mehr als viertausend vermisst oder gefangengenommen.
    Rob J., der auf dem Kutschbock des Ambulanzwagens die friedliche Landstraße entlangfuhr,

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