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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Athenaeum, um noch einmal die Bücher zu lesen, die ihn so gefesselt hatten. Doch lange bevor er damit fertig war, wusste er, wohin er gehen und was er tun wollte.

    Als Rob dann abends in seinem Bett lag, kam das vertraute leise Signal an seiner Tür. Er starrte bewegungslos in die Dunkelheit. Noch einmal hörte er das Kratzen und schließlich ein drittesmal. Aus verschiedenen Gründen wäre er gern zur Tür gegangen, um sie zu öffnen. Aber er blieb wie erstarrt liegen und durchlitt einen Augenblick des Schreckens, der so schlimm war wie jede Sekunde seiner Alpträume, und nach einer Weile ging Margaret Holland weg.

    Er brauchte über einen Monat, um seine Vorbereitungen zu treffen und den Dienst bei der Dispensary zu quittieren. Anstelle einer Abschiedsfeier sezierte er zusammen mit Holmes und Harry Loomis an einem schneidend kalten Dezemberabend die Leiche einer Negersklavin namens Della. Die Frau hatte ihr Leben lang schwer gearbeitet, und ihr Körper war erstaunlich muskulös. Harry hatte echtes Interesse an der Anatomie und Geschick für das Sezieren bewiesen und sollte Rob J.s Stelle als Assistent an der Medical School einnehmen. Holmes gab, während sie schnitten, seine Erklärungen ab und wies sie darauf hin, dass das fransige Ende des Eileiters aussehe wie »der Saum des Schals einer armen Frau«. Jedes Organ und jeder Muskel erinnerten einen der drei an eine Geschichte, ein Gedicht, ein anatomisches Wortspiel oder eine Zote. Es war eine ernsthafte wissenschaftliche Arbeit, die sie mit höchster Akribie durchführten, doch sie brüllten dabei vor Lachen und Ausgelassenheit. Danach gingen sie in die Essex Tavern und tranken bis zur Sperrstunde Glühwein. Rob J. versprach Holmes und Harry, sich bei ihnen zu melden, sobald er sein endgültiges Ziel erreicht habe, und sich, wenn nötig, mit Problemen an sie zu wenden. Sie trennten sich so kameradschaftlich, dass Rob J. seine Entscheidung beinahe bedauerte.
    Am nächsten Morgen ging er in die Washington Street, kaufte geröstete Maronen und brachte sie, eingewickelt in eine Seite der »Boston Transcript«, in das Haus an der Spring Lane. Er schlich sich in Margaret Hollands Zimmer und legte die Tüte unter ihr Kopfkissen. Kurz nach Mittag bestieg er einen Eisenbahnwaggon, den gleich darauf eine Dampflokomotive aus dem Bahnhof zog. Der Schaffner, der seine Fahrkarte kontrollierte, musterte sein Gepäck misstrauisch, denn Rob J. hatte sich geweigert, seine Gambe und seinen Lederkoffer im Gepäckwagen abzugeben. Neben seinen medizinischen Instrumenten und seinen Kleidern enthielt der Koffer Old Horny und ein halbes Dutzend Kernseifenriegel, wie Holmes sie benutzte. Obwohl er kaum Geld besaß, verließ er Boston viel reicher, als er es betreten hatte. Es waren noch vier Tage bis Weihnachten. Der Zug eilte an Häusern vorbei, deren Türen mit Girlanden geschmückt waren und durch deren Fenster man flüchtige Blicke auf Christbäume erhaschen konnte. Bald hatten sie die Stadt hinter sich gelassen. Trotz leichten Schneetreibens erreichten sie in weniger als drei Stunden Worcester, den Endbahnhof der Boston Railroad. Die Fahrgäste mussten in einen Zug der Western Railroad umsteigen, und dort saß Rob J. neben einem stattlichen Mann, der ihm sofort seinen Flachmann anbot. »Nein danke, sehr freundlich«, sagte Rob J., ließ sich aber auf eine Unterhaltung mit dem Mann ein, um die Ablehnung nicht zu barsch wirken zu lassen. Der Mann war Vertreter für Nägel: Hakennägel und solche mit Senk- und Stauchköpfen, Krampen, Stifte aus gehärtetem Stahl oder aus Draht, in den unterschiedlichsten Größen von der feinsten Stahlnadel bis zum riesigen Bootsnagel. Er zeigte Rob J. seine Muster, und der genoss diesen Zeitvertreib.
    »Ich fahre nach Westen! Nach Westen!« rief der Vertreter. »Sie auch?« Rob J. nickte. »Wie weit fahren Sie?« »Bis zur Staatsgrenze. Nach Pittsfield. Und Sie, Sir?« Die Antwort bereitete Rob J. eine außerordentliche Befriedigung, ein solches Vergnügen, dass er übers ganze Gesicht lachte und sich beherrschen musste, dass er sie nicht laut herausschrie, denn die Worte hatten ihre eigene Melodie und warfen ein verklärend-romantisches Licht in jeden Winkel des schaukelnden Waggons. »Ins Indianerland«, sagte er.

Musik
    Massachusetts und den Staat New York durchquerte er auf mehreren kurzen Eisenbahnstrecken, die durch Postkutschenlinien miteinander verbunden waren. Der Winter machte das Reisen beschwerlich. Manchmal mussten die Postkutschen

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