Medicus von Konstantinopel
und die Gedanken schienen jetzt kaum noch dem Davongegangenen zu gelten – sondern der eigenen unsicheren Zukunft. Die Donnerschläge setzten sich noch fort, als Maria und ihre Begleiter das Haus der Maldinis längst verlassen hatten. Im Hafen mussten sie fast zwei Stunden auf eine Barkasse warten, denn die waren plötzlich sehr begehrt.
Der Hafen von Pera war voller Menschen. Außer ein paar Schaulustigen, die sich dort versammelt hatten, waren es vor allen Dingen Söldner aus Venedig und Genua, die zu ihren Schiffen eilten. Und da die meisten dieser Galeonen auf dem gegenüberliegenden Ufer des Goldenen Horns zusammen mit der Flotte des Kaisers im Kriegshafen vor Anker lagen, wurden zunächst alle verfügbaren Barkassen für den Transport dieser Männer benötigt.
Bis zum Abend mussten Maria, Marco, Davide und Thomás darauf warten, übergesetzt zu werden.
»Warum bleiben die Schiffe im Hafen?«, fragte Maria an Thomás gerichtet. Der gebürtige Schotte schien ihr am meisten von diesen Dingen zu verstehen.
»Ich nehme an, man will nicht den Verlust von Schiffen riskieren«, sagte er. »Der Sultan kann den Bosporus unpassierbar machen und auf jedes Segel schießen, das sich dort bewegt. Seine Flotte dürfte jedoch nicht stark genug sein, um die unsere im Goldenen Horn angreifen zu können – selbst dann, wenn es die Sperrketten nicht gäbe!«
»Wollen wir hoffen, dass Ihr Recht behaltet!«, meinte Davide dazu.
»Das Ende ist nahe«, meldete sich nun Marco zu Wort, der sich so lange zurückgehalten hatte. »Es kommt der Tag, an dem sich alles umkehrt und das Niedrige hoch, das Hohe aber niedrig wird!«
Thomás runzelte die Stirn und wirkte sehr befremdet, er enthielt sich aber einer Bemerkung.
Maria wurde im nächsten Moment einer Entgegnung beraubt, denn heftige seitliche Wellen erfassten das Boot, und sie musste sich festhalten.
In den nächsten Tagen verbreiteten sich Einzelheiten über das Gefecht, bei dem eine kaiserliche Galeone schwere Schäden und hohe Verluste an ihrer Mannschaft erlitten hatte. Das zum Wrack geschossene Schiff lief später in den Eutherios-Hafen ein und wurde dort vertäut. Man ging wohl davon aus, dass es zunächst nicht mehr einsatzfähig sein würde und den Verteidigern des Goldenen Horns nicht helfen konnte.
Mehr als tausend Schaulustige fanden sich im Hafen zusammen. Maria konnte es vom Kontor aus sehen. Soldaten der kaiserlichen Garde machten sich daran, Geschütze und Munition aus dem Wrack herauszuholen, das nun wie eine Mahnung dalag.
»Maria«, hörte sie hinter sich eine Stimme, während sie schon eine ganze Weile in finsteren Gedanken versunken auf einem der Balkone des Hauptgebäudes stand, von wo aus man einen guten Blick über den Eutherios-Hafen hatte.
Der Klang dieser Stimme war ihr nur allzu vertraut. Sie drehte sich um. »Marco!«
»Wir müssen miteinander sprechen«, sagte er.
»Ja, das mag sein.«
»Ich werde es nicht länger hinnehmen, dass man mich daran hindert, über mein Erbe zu verfügen.«
»Unser Erbe«, erinnerte ihn Maria. »Im Übrigen hindert dich niemand daran. Allerdings kann es auch nicht angehen, dass du einen Großteil unserer Mittel irgendwelchen zweifelhaften Predigern in den Rachen wirfst!«
»Es ist ganz allein meine Sache, wofür ich mein Geld ausgebe, Maria. Ich verlange von dir, dass mir mein Anteil ausgezahlt wird – in Gold und Silber.«
»Das würde das Ende des Hauses di Lorenzo bedeuten! Hast du deshalb mit Jakob Forlanus gesprochen? Soll er dir dabei helfen, das Testament, das er selbst mit aufgesetzt hat, nun zu einem wertlosen Dokument zu machen?«
»Nein, du irrst dich!«
Maria schüttelte den Kopf. »Das glaube ich kaum.«
»Jakob Forlanus wollte mich um meine Unterstützung bei dem Ansinnen bitten, dich zu heiraten. Aber dein Herz scheint ja einem anderen zu gehören – und dabei spreche ich nicht von Claudio Emanuele.«
Maria atmete tief durch. Innerlich kochte es in ihr. Indes, es hatte keinen Sinn, sich gegenseitig auch noch mit spitzen Bemerkungen zu traktieren. All ihre Worte schienen ihn so wenig erreichen zu können wie umgekehrt die seinen sie. »Seriféa macht sich Sorgen um dich. Sie scheint dich wirklich sehr zu mögen, aber …«
»Sie ist eine einfältige Närrin!«, schnitt Marco ihr das Wort ab.
»Nur weil sie nicht tatenlos mitansehen will, wie du immer mehr unter den Einfluss dieses dunklen Ordens gerätst, dessen Irrlehre du dich verschrieben hast?«
In Marcos Augen blitzte es. »Was
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