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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel
Autoren: C Walden
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Konstantinopel-Geschützes und seiner kleinen Schwester wird dafür sorgen, dass die Griechen jeglichen Mut verlieren!«, glaubte der Übersetzer namens Tarik.
    Der sogenannten kleinen Schwester des Konstantinopel-Geschützes hatte Urban selbst einen Namen geben dürfen. Er hatte die Kanone »Basilisk« getauft, nach dem furchterregenden Fabeltier, das einer Mischung aus Vogel und Schlange gleichkam und – wer wusste das schon – noch irgendwo in abgelegenen Ländern existieren mochte.
    »Du sagst ja gar nichts, Urban!«, stellte Tarik etwas irritiert fest. Er rückte sich den Krummsäbel zurecht und trat neben den Kanonengießer. Dann deutete er hinüber zu jener Stadt, die für viele einfach nur die Stadt schlechthin war. »Hast du Freunde dort drüben?«
    »Ja«, sagte er finster.
    »Wir werden ihnen nichts tun.«
    »Ach nein?«
    »Jedenfalls nicht, wenn sie den wahren Glauben annehmen und erkennen, dass Allah groß und Mohammed sein Prophet ist!« Er schlug Urban auf die Schulter. »Mach dir keine Gedanken! Der Schrecken fördert die Vernunft! Bis man genügend Munition für die großen Geschütze hergeschafft und diese außerdem fest genug verankert hat, vergehen noch Tage, vielleicht Wochen. Bis dahin wird Konstantinopel längst aufgegeben haben.«
    Nein, das glaube ich nicht, dachte Urban. Er hatte beide Seiten gesehen, und ihm war mit seinem von vielen Schlachtfeldern und Festungen geschulten Blick klar, dass es hier auf die Zeit ankäme. Wenn die Belagerung lange dauerte, würden sich der römisch-deutsche Kaiser und die Königreiche von England und Frankreich, die sich gegenseitig durch mehr als ein Jahrhundert Krieg erschöpft hatten, doch noch besinnen und ein Entsatzheer schicken. Dann könnte sich das Blatt doch noch wenden. Also musste die Eroberung möglichst schnell erfolgen. Monate durften vergehen – aber nicht ein Jahr oder mehr. Genau dafür waren die mauerbrechenden Riesengeschütze geschaffen worden – unterstützt durch zahllose Kanonen von gewöhnlichen Ausmaßen, dicke Mörser und herkömmliche Katapulte wie die Steine schleudernde Trebuchet oder die einer ins Riesenhafte vergrößerten Armbrust ähnelnde Springald.
    Urban hatte in seinem Leben oft die Seiten gewechselt und Kanonen erst für die eine und dann für die andere der jeweils widerstreitenden Parteien gegossen. So war eben das Leben, und er hatte es sich abzugewöhnen versucht, darüber länger nachzudenken. Gleichwohl hatte er diesmal ein mulmiges Gefühl allein bei dem Gedanken, dass die gewaltigen Geschosse seiner beiden Riesengeschütze ausgerechnet in die Mauern dieser Stadt schlagen würden. Deren Kaiser hatte ihn und seine Handwerkskunst zwar abgewiesen und nicht zu schätzen gewusst, und insofern geschah es ihm irgendwie sogar recht, wenn er nun durch genau die Kanonen, die Urban für ihn hatte bauen wollen, seinen Thron und vermutlich noch mehr verlor. Auf der anderen Seite war er im Haus di Lorenzo sehr freundlich aufgenommen worden, außerdem gab es da noch seinen Weggefährten Wolfhart Brookinger, der jetzt wahrscheinlich immer noch mit der Besessenheit eines studierten Medicus nach dem wahren, inneren Wesen des Pestdämons suchte und noch nicht begriffen hatte, dass der Stadt Konstantinopel längst eine ganz andere Gefahr drohte.
    Aller Voraussicht nach würden die Türken im Falle einer Eroberung die ausländischen Bewohner ohnehin ziehen lassen, redete sich Urban ein, damit er sich nicht allzu schändlich und treulos vorkam.
    Ein lauter Ruf riss Urban aus seinen Gedanken. Er verstand allerdings kein Wort. Als er sich umdrehte, sah er einen der Männer, die zu einer Geschützmannschaft der kleineren Kanonen gehörten, wild gestikulierend und laut redend herbeieilen. Irgendetwas war geschehen. Urban blickte den Übersetzer fragend an.
    »Es gibt Schwierigkeiten mit einem der kleineren Geschütze«, sagte er.
    »Was für Schwierigkeiten?«, fragte Urban barsch.
    »Er sagt, dass du dir das selbst ansehen müsstest!«
    Urban seufzte. »Immer dasselbe! Nichts geht von allein!«
    »Du bist eben unersetzbar, Urban!«, meinte der Übersetzer.
    Urban folgte dem aufgebrachten Mann zu dem Geschütz, um das es ging. Verglichen mit dem Konstantinopel-Geschütz oder dem Basilisken wirkte es fast winzig, obwohl es stärkere Munition verschoss als die Kanonen auf den genuesischen Galeonen, die es dem Sultan völlig illusorisch hatten erscheinen lassen, die Stadt vom Goldenen Horn aus erfolgreich angreifen zu können.
    Tarik, der
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