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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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sowieso beide angesprochen, wenn man nur mit einem von ihnen spricht.«
    Wolfhart nickte auch den beiden kahlköpfigen Männern namens Theo freundlich zu. Sie antworteten mit ein paar Lauten, die nur ganz entfernt an Wörter der griechischen Sprache erinnerten.
    »Die beiden sind geistig zurückgeblieben«, erklärte Cagliari. »Als ich nach Konstantinopel kam, wurden sie mir als eine Art Sensation gezeigt. Sie waren am Oberkörper zusammengewachsen.«
    »Habt Ihr sie getrennt?«, wunderte sich Wolfhart.
    »Das war schwieriger als ein Hieb mit einer Henkersaxt, kann ich Euch sagen, und ich war mir keinesfalls sicher, ob die beiden das überleben würden. Haben sie aber, wie Ihr seht.«
    »Ich habe von einem solchen Fall in Warschau gehört«, sagte Wolfhart.
    »Eine Laune Gottes oder Luzifers, wie die meisten Leute glauben. Viele dieser Kreaturen dürften wohl von ihren eigenen Eltern erschlagen werden, weil man sie für Ausgeburten Satans hält, die außerdem noch Rückschlüsse auf die Sündhaftigkeit der Eltern zulassen, wie manche Kleriker uns weismachen wollen.« Cagliari zuckte mit den Schultern. »Sie sind treue Gehilfen und gehören zu den wenigen, die bereit sind, die Risiken zu tragen, die dieses Werk der Erkenntnissuche birgt.«
    »Vielleicht durchschauen sie diese Risiken nur nicht und sind deshalb leichter geneigt, sie einzugehen«, meinte Wolfhart.
    Cagliari fixierte Wolfhart daraufhin mit einem durchbohrenden Blick. »Ihr sagt, was Ihr denkt – und das ohne Furcht!«, stellte er dann fest.
    »Entschuldigt meine Schroffheit. Aber ich neige manchmal dazu, Dinge zu tun, bei denen ich nur das Ziel im Auge habe, ohne an die unmittelbaren Folgen zu denken.«
    »Das gefällt mir«, bekannte Cagliari.
    Zum allerersten Mal sah Wolfhart im blassen, blutleer wirkenden Gesicht des Pest-Medicus ein Lächeln, in dem ein wenig menschliche Wärme aufblitzte. Aber vielleicht war das auch nur der Wirkung des flackernden Fackellichts zu verdanken. »Es gefällt mir, wenn jemand die Wahrheit ausspricht, so wie er sie sieht, denn nichts anderes ist der Suche nach Erkenntnis förderlich. Man muss dem Gedanken mit aller Rücksichtslosigkeit bis zu seiner letzten Konsequenz folgen. Und dabei darf man sich durch nichts aufhalten lassen. Auch nicht durch vorgefasste Überzeugungen oder gar …«, er zögerte, ehe er weitersprach, »… den Glauben an Gott!«
    Wolfhart sagte daraufhin zunächst nichts. Dann fiel ihm ein, dass Cagliari eben bei der Vorstellung von Theofanos und Theofilos in einem Nebensatz Gott und Luzifer als Zwillinge bezeichnet hatte. Wolfhart war dies zunächst nicht weiter aufgefallen, aber nun kehrte die Erinnerung umso stärker in sein Bewusstsein zurück. Er hatte schon während seiner Zeit in Erfurt von jener Lehre gehört, wonach Gott und Luzifer eine Art Zwillingspaar darstellten, von denen bis zum Jüngsten Tag keiner den anderen endgültig zu besiegen vermochte. Einer der Magister, sein Name war Franziskus Borsodius, hatte eine ähnliche Lehre vertreten. Oft genug hatte Wolfhart seinen Worten gelauscht und sich nie so recht entscheiden können, ob er sie nun für wahr halten oder verwerfen sollte. Gerade noch rechtzeitig, bevor er der Ketzerei angeklagt werden konnte, war Borsodius in Richtung seiner Heimat, die wohl in Ungarn lag, geflohen. In Erfurt wurde er danach nie wieder gesehen, und Wolfhart hatte sich immer gefragt, weshalb keine Bereitschaft bestanden hatte, die Auffassungen von Borsodius in einem öffentlichen Disput zu diskutieren. Der geistigen und geistlichen Freiheit hätte das gut zu Gesicht gestanden, wie er fand.
    Jetzt überlegte Wolfhart, ob Fausto Cagliari vielleicht insgeheim einer ketzerischen Gruppe angehörte. Dass es unter Umständen gefährlich werden konnte, einen Ketzer überhaupt nur gekannt zu haben, hatte er in Erfurt am eigenen Leib erfahren: Weil er zunächst nicht bereit gewesen war, umfassend Zeugnis darüber abzugeben, was er über den geflohenen Magister wusste, hatte man ihn für drei Tage eingekerkert.
    Die Barke erreichte eine Steinkanzel, die ungefähr einen halben Meter aus dem dunklen Wasser herausragte. Einige Boote unterschiedlicher Größe lagen dort. Ungefähr die Hälfte lag im Wasser und war an den dafür vorgesehenen Holzpfählen festgemacht. Die anderen waren zur Gänze aus dem Wasser gezogen worden.
    Eine schwere Holztür geriet in den Schein der Fackeln. Die beiden kahlköpfigen Zwillinge stießen ein paar Laute aus, mit denen sie offenbar

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