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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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ich.«
    »Wirklich?«
    Cagliari trat auf Wolfhart zu. Das Lächeln, zu dem sich sein Gesicht nun verzog, war undeutbar. Spott und Sarkasmus kamen darin zum Ausdruck. Und noch etwas anderes, was Wolfhart erst nach und nach erfasste. Es war die kalte Grausamkeit eines Menschen, der sich kompromisslos einem Ziel verschrieben hatte und dabei keine Skrupel kannte.
    »Ich gebe zu, dass ich Euch gar nicht erst hierher hätte kommen lassen, wenn da nicht in Magister Munsonius’ Empfehlungsschreiben ein paar Eigenschaften aufgezählt wären, die Euch ganz gewiss aus der Vielzahl aller wissbegierigen Menschen herausheben. Insbesondere lobt er Eure ausgesprochen gut entwickelte Auffassungsgabe. Aber das liegt vielleicht auch nur daran, dass Munsonius selbst ein einfältiger Narr ist. Wir werden sehen … Und jetzt folgt mir!«
    »Wohin führt Ihr mich?«
    »An jenen Ort, wo ich mit einigen wenigen furchtlosen Mitstreitern meiner Arbeit nachgehe. Aber zwei Dinge muss ich Euch noch sagen.«
    »Bitte!«
    »Falls Ihr trotz des Anblicks, der sich Euch gleich bieten wird, entschlossen seid, an diesem ehrwürdigen Werk teilzuhaben, dann bestehe ich darauf, dass Ihr hier im Palast wohnt.«
    »Dagegen ist nichts einzuwenden«, sagte Wolfhart.
    »Ihr sollt möglichst durchgängig für Eure Arbeit zur Verfügung stehen, und davon abgesehen will ich nicht verschweigen, dass es längere Zeiten geben wird, in denen Ihr die unterirdischen Verliese nicht verlassen werdet.«
    »Wenn Ihr damit sagen wollt, dass ich dazu bereit sein muss, hart und lang zu arbeiten und wenig Ruhe zu finden, so muss ich Euch sagen, dass ich nichts anderes erwartet habe.«
    »Das freut mich zu hören«, murmelte Fausto Cagliari, während sich sein dünnlippiger Mund kaum bewegte und wie ein blasser, mit Bleistift gezogener Strich auf schlechtem Papier wirkte.
    »Komm, du Narr!«, sagte Cagliari – und wechselte vom Griechischen ins platte Niederdeutsch, wie es an der gesamten Küste zwischen Antwerpen und Riga verstanden wurde. Cagliari schien die Gedanken zu erraten, die jetzt in Wolfharts Kopf herumschwirrten. »Ja, ich habe einige Jahre in den Diensten des Bischofs von Münster gestanden, der allerdings meiner überdrüssig wurde. Ihr wollt wissen, was geschah?«
    Wolfhart hob die Schultern.
    »Wie kann man einen Mann, der etwas von der Natur der Pest versteht, fortschicken?«
    »Ein großer Brand sorgte dafür, dass die Epidemie zum Stillstand kam – und da brauchte man mich nicht mehr. So einfach ist das, Wolfhart! Und es ging mir andernorts nicht anders.«
    Fausto Cagliari nahm Wolfhart mit auf einen ziemlich verwirrenden Weg durch die weitläufigen Räumlichkeiten des Palastes. Er schien sich hier völlig frei bewegen zu können, Wächter ließen ihn ohne weitere Nachfrage passieren.
    Schließlich ging es eine schmale Wendeltreppe hinunter, und Wolfhart hatte schon den Verdacht, dieser Abstieg in die Finsternis würde nie enden.
    Unten angekommen herrschte überraschenderweise keine vollständige Dunkelheit. Fackeln und Öllampen spendeten ein flackerndes, unruhiges Licht, das sich im dunkel wirkenden Wasser eines riesigen Sees spiegelte, in dem Hunderte von Säulen standen. Diese Säulen trugen die Decke eines gewaltigen unterirdischen Bauwerks, das Wolfhart erst beim zweiten Blick erkannte.
    Vier Gestalten warteten offenbar auf Cagliari. Eine davon lief unruhig hin und her. Eine andere hörte Wolfhart kurz »Na endlich! Ich dachte, das wird heute nichts mehr!« sagen, woraufhin eine weitere mit einem fast tierhaften Knurrlaut antwortete. Nur für einen kurzen Moment fiel genug Licht auf eines der Gesichter. Wolfhart erschrak. Es war auf eine so furchtbare Weise entstellt, wie Wolfhart es noch nie zuvor gesehen hatte. Eine andere, in der Nähe stehende Gestalt, die nur als dunkler Umriss zu erkennen war, ging ein paar Schritte, schwenkte eine Fackel und hinkte.
    »Nachdem Ihr gewiss die Stadt schon ein wenig kennengelernt habt und nun sogar in die Stadt in der Stadt – den Palast nämlich – vorgedrungen seid, ist es nun an der Zeit, dass Ihr auch das dritte Konstantinopel betretet, Wolfhart!«, ergriff Cagliari jetzt das Wort und ließ seinen Satz in einem meckernden Kichern enden. Es hallte in dieser unterirdischen Säulenhalle dutzendfach wider, und allein dadurch bekam Wolfhart schon einen vagen Eindruck davon, wie weitläufig es hier unten tatsächlich sein musste. »Ihr wisst nicht, wovon ich spreche, Wolfhart? Das bisschen Licht, das Euer Gesicht

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