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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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kennenlernen.
    »Alles der Reihe nach. Ihr seht doch, wie kreidebleich unser Freund schon geworden ist«, sagte Cagliari, der verzweifelt bemüht war, dem Klang der eigenen Stimme einen warmherzigen Tonfall zu geben, und dem es einfach nicht gelingen wollte.
    Wolfhart folgte Darenius durch einen schmalen Korridor. Aus der Ferne hörte er wirre Schreie, stöhnende Laute wie aus einer Folterkammer. Um Himmels willen, welcher Art von Erkenntnisdrang wurde hier nachgegangen?, ging es dem Kaufmannssohn Schlimmes befürchtend durch den Kopf.
    »Seid nicht beunruhigt. Das, was wie Qual klingt, ist in Wahrheit eine Hilfe. Ein Erbarmen mit Kreaturen, mit denen sonst niemand Erbarmen hat!« Fausto Cagliari schien zu spüren, welche Gedanken Wolfhart beschäftigten, und versuchte offenbar, den inneren Aufruhr des jungen Mannes bereits zu besänftigen, noch bevor er sich wirklich entfalten konnte.
    »Was ist da?«, fragte Wolfhart aber trotzdem. Er blieb stehen.
    Einer der beiden Kahlköpfigen fing irre an zu kichern. Sein Zwillingsbruder fiel darin ein. Sie verstummten sofort, als sie Cagliaris eisigen Blick bemerkten.
    »Es sind Kranke, die leiden«, sagte Darenius. »Ein paar wenige Menschen, deren Leben nur noch Tage währen wird, die sich aber dazu bereit erklärt haben, dass wir aus ihrem Tod Erkenntnis gewinnen.«
    Wolfhart hatte das Gefühl, eine feuchtkalte, modrige Hand würde sich auf seine Schulter legen. Eine Gänsehaut bildete sich auf seinem gesamten Körper, und er fror auf einmal bis ins Mark.
    »Es gibt immer noch Pestfälle in Konstantinopel?«, entfuhr es ihm. »Ich dachte …«
    »Das gehört zu den Dingen, über die Ihr schweigen müsst, Wolfhart«, erklärte Cagliari sehr ernst. »Diese Kranken stellen keine Gefahr dar, aber wenn sich herumspräche, dass sie in der Stadt sind, würde eine Panik ausbrechen.«
    »Aber – kann es nicht sein, dass …«
    »… die Krankheit diese Mauern verlässt? Dass sie durch das Gestein dringt, wie man es dem bösen Miasma nachsagt? Dass es durch die Ritzen quillt und die Menschen über uns vergiftet und anschließend krank dahinsiechen lässt?« Cagliari schüttelte energisch den Kopf. »Nein, das ist Unsinn und Aberglaube, Wolfhart. Wir wissen inzwischen schon einiges mehr über das Wesen des Dämons, dem wir unseren Willen aufzuzwingen versuchen!«
    Wolfhart atmete tief durch.
    Er fühlte seinen Herzschlag bis zum Hals und hinter den Schläfen.
    »Mir scheint, ich habe ihm bereits zu viel gesagt«, meinte Darenius mit einer Spur von Bedauern im Tonfall.
    »Wenn das alles für Euch unerträglich ist, Wolfhart, dann geht wieder. Geht so schnell wie möglich und schweigt über das, was Ihr gesehen oder gehört habt.«
    »Nein, nein!«, wehrte Wolfhart ab. »Ich bin bereit, alles zu lernen.«
    Cagliari nickte langsam. »Das ist gut«, sagte er. »Sehr gut. Denn das, was Ihr bisher gesehen und gehört habt, war noch nicht einmal der Anfang!« Er wandte sich an die beiden Kahlköpfe, die regungslos dastanden und Wolfhart anstarrten. »Worauf wartet ihr? Bringt den Ratten endlich ihr Futter, ihr zusammengewachsenen Hohlköpfe!«

Zwölftes Kapitel

    Wolfharts Rückkehr
    Maria hatte nicht schlafen können. Es war bereits Mitternacht, und Wolfhart war noch nicht zurückgekehrt. Sie hatte den Tag damit verbracht, die Buchführung in Ordnung zu bringen und mit Davide über einige Geschäfte zu entscheiden. Ein Schiff, das für das Haus di Lorenzo Seide und Zucker aus dem an der Schwarzmeerküste gelegenen Trapezunt liefern sollte, war schon seit einer Woche überfällig, also schon seit der Zeit vor der zeitweiligen Sperrung des Hafens. Das konnte natürlich den schwierigen seemännischen Bedingungen am Bosporus geschuldet sein. Die Meerenge war für ihre tückischen Strömungen und Winde bekannt.
    Aber ebenso gut konnte es auch sein, dass der Beschuss türkischer Kanonen die Fahrt vorzeitig beendet hatte. Vielleicht waren die Verbindungen von Zacharias dem Einäugigen zum Hof des Sultans doch nicht so gut, wie er behauptet hatte, und all das Silber, das für die Hilfe dieses zwielichtigen Gesellen ausgegeben worden war, musste man schlicht und ergreifend als eine Fehlinvestition abschreiben.
    Auf Andreas Lakonidas war ja schon seit längerem kein rechter Verlass mehr, und so musste man das Schlimmste annehmen. Außerdem beunruhigte Maria, dass sie zurzeit aufgrund der Ausgangssperre von allen Neuigkeiten abgeschnitten war. Dass der Patriarch sich offenbar abgesetzt hatte, ließ

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