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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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bescheint, und die Schatten, die dort tanzen, lassen Euch noch ratloser erscheinen! Keine Angst, dies ist nicht die sprichwörtliche Unterwelt!«
    »Was dann?«, fragte Wolfhart, der sich Mühe geben musste, Cagliari zu verstehen, denn aufgrund des Echos flossen die Worte einfach nur so ineinander, sobald der Pestarzt etwas schneller sprach.
    »Viele glauben, die Theodosianische Mauer oder die Kette von Galata seien die Geheimnisse, die Konstantinopel bisher unbesiegbar gemacht haben, gleichgültig, wie groß die Armeen gewesen sein mögen, die da draußen vor den Toren der Stadt ihre Belagerungsfront geschlossen hatten. Aber in Wahrheit gibt es noch einen weiteren, mindestens ebenso wichtigen Faktor! Die Zisternen! Nirgends in der Welt gibt es größere Zisternen als hier, Wolfhart. Sie bilden eine unterirdische Stadt, über die man fast überallhin gelangen kann – zumindest so weit die einzelnen Gänge noch zugänglich sind.«
    »Von den Zisternen habe ich ehrlich gesagt noch nichts gehört«, bekannte Wolfhart.
    »Man kann über sie an viele Orte gelangen. Es gibt eine Vielzahl von Gängen, Verliesen, künstlich angelegten Grotten und so weiter und so weiter. Über alte Aquädukte wird das Wasser von überall hergeleitet …«
    »… und macht die Stadt unabhängig! Selbst von einer Versorgung von der See her!«, entfuhr es Wolfhart.
    »Ihr sagt es! Genau aus diesem Grund sind diese Bauwerke entstanden. Hier ist mehr Wasser, als die Bürger der Stadt in vielen Monaten brauchen. Übrigens nutzt selbst der Kaiser das unterirdische Netz von geheimen Gängen, um in die Hagia Sophia zu gelangen.« Cagliari zuckte mit den Schultern. »Allerdings pflegt er mit einer mit Gold und Silber verzierten Gondel zu fahren und benutzt außerdem einen Geheimgang, der nur ihm vorbehalten ist.«
    Ein paar Ratten huschten über den Steinboden, eine von ihnen schnappte nach einem Gegenstand, der ans Ufer dieses unterirdischen Sees angeschwemmt worden war. Ein Stück Treibholz vielleicht.
    Am Ufer lagen mehrere Barken, die an Pfählen vertäut waren.
    Im schwachen Licht der Fackeln bemerkte Wolfhart charakteristische Spuren an den Säulen. Ähnliche Spuren kannte er von den Kaimauern im Lübecker Hafen, und sie waren ein Indiz dafür, dass der Wasserstand hier zum Teil erheblich variierte. Vermutlich reichte das Wasser bei Höchststand bis zu den untersten Stufen der Wendeltreppe, über die sie aus dem Palast hinabgestiegen waren.
    »Worauf wartet ihr noch?«, fragte Cagliari barsch die vier wartenden Männer. Wolfhart sah nun das Gesicht des Entstellten in seiner vollen, selbst ihn schockierenden Hässlichkeit. Ein Auge war vermutlich mit einem heißen Eisen geblendet worden. Außerdem hatte man ihm die Ohren abgeschnitten. Ob die Wolfsscharte und die eigenartige Form seiner Lippen, die verhinderte, dass er den Mund richtig schließen und seine Zähne verdecken konnte, ein böser Scherz der Natur oder der Behandlung durch die Henker und Schinder zuzuschreiben waren, ließ sich nicht so ohne weiteres sagen. Jedenfalls überragte er Wolfhart um fast zwei Köpfe und hatte ausgesprochen kräftige Arme. Der zweite Mann hinkte und machte sich sofort an der Vertäuung einer der Barken zu schaffen. Sein linkes Bein war sehr viel kürzer als sein rechtes. Die beiden anderen Männer waren beide vollkommen kahlköpfig, schienen trotzdem aber noch recht jung zu sein. Sie hatten auch keine Augenbrauen und sahen vollkommen gleich aus. Offenbar waren sie Zwillinge. Einer von ihnen sagte etwas, sprach aber so verwaschen und undeutlich, dass zumindest Wolfhart nichts davon verstehen konnte. Er war sich noch nicht einmal vollkommen sicher, welche Sprache das gewesen war.
    Einer der Kahlköpfigen deutete mit der ausgestreckten Hand auf eine bestimmte Stelle, während er mit der anderen eine Fackel hielt.
    Wolfhart folgte seinem Blick. Aus irgendeinem Grund regte sich der Kahlköpfige sehr über die Ratten auf. Dann trat er vor, sodass der Fackelschein die Ratten besser erfasste. Sie schienen wenig Furcht vor den Menschen zu haben, und manche von ihnen hatten eine erschreckende Größe erreicht.
    Nun sah Wolfhart, was den Kahlköpfigen offenbar so aufgeregt hatte.
    Es war keineswegs ein Stück Treibholz gewesen, das eine der Ratten vorhin angeschleppt hatte.
    Es war eine halb zersetzte, aber dennoch eindeutig zu erkennende menschliche Hand.
    »Kein Grund zur Aufregung, Theo!«, meinte Cagliari, woraufhin sich beide Kahlköpfige angesprochen fühlten und

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