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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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anzeigten, dass sie ihr Ziel erreicht hatten.
    Sie stiegen an Land. Die Barke drohte dabei fast zu kentern, weil der entstellte Timon ein paar ausholende und sehr unbedachte Bewegungen machte.
    »Pass auf, du Narr! Es ist hier so tief, dass ein Haus darin verschwinden könnte, und soweit ich weiß, hat dir nie jemand das Schwimmen beigebracht!«
    »Mir auch nicht«, sagte Wolfhart.
    »Und dabei seid Ihr doch an der See aufgewachsen!«, gab Cagliari zurück.
    Sie verließen das schwankende Boot. Der entstellte Timon und die kahlköpfigen Zwillinge vertäuten es sorgfältig bei den anderen Barken. Cagliari ging zu der schweren, mit Eisenbeschlägen versehenen Tür und klopfte an. »Macht auf, Darenius!«, rief er, und seine Stimme hallte heiser in dem Zisternengewölbe wider.
    »Was ist das für ein Ort?«, stieß Wolfhart hervor.
    »Es gibt viele solcher Kammern und Verliese hier unten«, erklärte Cagliari. »Christen haben sich hier versteckt, um den Verfolgungen zu entgehen, später haben sich die Heiden hier vor den Christen verborgen, und immer – ganz gleich ob Heide oder Christ – haben die Herrscher in diesen Kammern und Gewölben Menschen gefangen gehalten und geschunden. Wer jemanden einfach verschwinden lassen will, für den ist dies der richtige Ort dafür.«
    »Die Hand …«
    »Ich möchte nicht wissen, wie viele Leichen von Überfallenen, die in den Gassen das Opfer von Dieben wurden, hier unten gelandet sind.«
    »Vergiften die Leichen nicht das Wasser?«, fragte Wolfhart.
    »Doch, das tun sie.«
    »Nach der Vier-Säfte-Lehre des Galenus …«
    »Vergesst, was man Euch in Erfurt beigebracht hat, Wolfhart. Vergesst so viel wie möglich davon und bildet Euch Eure eigenen Urteile durch Versuch und Irrtum. Einen anderen Weg zu klarer Erkenntnis gibt es nicht. Und was das Gift der Leichen angeht, so ist es wie bei vielem eine Frage der Dosis.«
    »Ich verstehe, was Ihr meint.«
    »Darüber hinaus gibt es hier noch viel schlimmeres Gift als jenes, das Leichen entströmt.«
    Cagliari klopfte noch einmal, diesmal heftiger. »Hörst du mich nicht, du schwerhöriger Greis?«
    Nun wurde eine Reihe von Riegeln zur Seite geschoben, und die Tür öffnete sich endlich.
    Ein Mann von unbestimmbarem Alter, einem sehr kantigen Gesicht und grau durchwirkten Haarkranz stand vor ihnen. Er war kräftig und sein Bart so grau wie die Farbe seiner Augen, während die sehr dichten Augenbrauen tiefschwarz und in der Mitte zusammengewachsen waren.
    »Oh, wie ich sehe, haben wir Besuch!«, sagte er.
    »Dies ist Wolfhart Brookinger aus Lübeck, der in Erfurt studierte und von Magister Munsonius empfohlen wurde«, erklärte Cagliari.
    »Eine Empfehlung durch einen eitlen Narren muss ja nicht gegen ihn sprechen«, sagte der Mann in der Kutte. »Da an Euch rein äußerlich kein Mangel erkennbar ist, so darf ich Euch fragen, welches Verbrechens man Euch angeklagt hat oder welches geistige, moralische oder sonstige Defizit Ihr so geschickt verbergt, Wolfhart?«
    »Nun, ich hoffe keines, außer einem unstillbaren Wissensdurst!«, sagte Wolfhart etwas irritiert.
    »Die Höflichkeit vergisst man hier unten in der Gesellschaft von Ratten und allerlei Wassergetier sehr schnell«, ergriff nun Cagliari wieder das Wort. »Wolfhart, ich möchte Euch Johannes Darenius vorstellen, der von seinem Orden verstoßen wurde, weil er verbotene Studien durchführte und den Gehorsam verweigerte. Aber davon abgesehen dürfte er unter meinen Gehilfen derjenige sein, mit dem Ihr Euch am ehesten verstehen werdet!«
    »Ich freue mich, Euch kennenzulernen, Johannes.«
    »Nennt mich Darenius«, sagte der verstoßene Mönch. »Als Darenius von Morea wurde ich geboren, Johannes war wohl mein Ordensname, und auch wenn ich unter ihm einige viel beachtete Traktate verfasst habe, verfluche ich diese Zeit, so wie man mich verflucht hat!«
    »Ganz, wie Ihr wollt, Darenius.«
    »Es freut mich, dass Ihr Euch entschlossen habt, uns zu helfen. Darf man ihn in alles einweihen?«, wandte sich Darenius dann an Cagliari. Ihm gegenüber schien er den Gehorsam besser akzeptieren zu können, als es seinerzeit gegenüber den Oberen seines Ordens der Fall gewesen war. Aber vielleicht war Darenius inzwischen einfach auch nur bewusst geworden, dass er vermutlich nirgendwo sonst noch eine Möglichkeit finden würde, seinen Neigungen nachzugehen. Neigungen, die mit dunkler Alchimie zu tun hatten, die einen nur schaudern lassen konnte. Wolfhart sollte sie bald näher

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