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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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befürchten, dass das Kaiserreich fürs Erste nicht zur Ruhe kommen würde. Aber wer konnte das auch schon ernsthaft erwarten?, überlegte Maria.
    Hinter den Mauern des Palastes tobten offenbar verborgene Kleinkriege zwischen verschiedenen Gruppen, die sich gegenseitig bis aufs Blut bekämpften. Das Kaiserhaus der Palaiologen, die Kirchenunionsbefürworter, die Unionsgegner, die Parteigänger Genuas, Aragons und Venedigs – all das ergab ein äußerst explosives Gemisch.
    Es war schon früher Morgen, als eine Gruppe von Palastwächtern Wolfhart schließlich zurückbrachten. Maria sah durch ihr Fenster, wie sich die Gruppe über eine Verzweigung der Mese dem Kontor am Eutherios-Hafen näherte. Am liebsten wäre sie Wolfhart einfach entgegengelaufen und hätte ihn in die Arme geschlossen. Aber ihr war natürlich klar, dass das nicht so einfach ging. Schließlich musste sie nach außen hin zumindest einigermaßen die Form wahren.
    Erst einige Stunden später begegnete sie ihm am Tisch des Empfangsraums. Er hatte wohl kaum geschlafen und ging nun unruhig auf und ab. Normalerweise hätte Seriféa den Gästen ein Morgenmahl bereiten sollen. Aber die schöne Levantinerin hatte offenbar verschlafen. Maria konnte sich schon denken, was der Grund dafür war. Vermutlich war sie noch immer in der Kammer von Marco und raffte gerade ihre verstreuten Kleider zusammen. Aber in diesem Fall nahm Maria es der schönen Levantinerin ausnahmsweise nicht übel, dass sie ihre Pflichten vernachlässigte, denn so blieb ihr eine Begegnung allein mit Wolfhart.
    Wolfhart sah sie an, und Maria erkannte in seinen Augen dasselbe Verlangen wie bei ihrem ersten, so stürmischen und vollkommen unvernünftigen Zusammensein. Unwillkürlich musste sie schlucken. Es war ihr unmöglich, auch nur einen Ton herauszubringen. Ein Kloß saß ihr im Hals, ihre Zunge wirkte wie gelähmt.
    »Maria!«, sagte Wolfhart einfach, und die Art und Weise, wie er ihren Namen aussprach, gefiel ihr. Es war voller Liebe und Zugewandtheit, und der Klang seiner Stimme erweckte wieder all die wohligen Gefühle in ihr.
    Dann löste sich ihre Erstarrung. Sie gingen aufeinander zu, und er nahm sie in die Arme, drückte sie an sich, strich ihr über das Haar, während sie seinen kräftigen Nacken umschlang und sich gegen ihn presste. Sie küssten sich mit der Innigkeit zweier Menschen, die sich zum Abschied trafen und wussten, dass sie sich für sehr lange Zeit nicht wiedersehen würden. Atemlos lösten sie sich voneinander. »Ich bin froh, dass du wohlbehalten zurück bist, Wolfhart!«
    »Was hätte mir denn in einem Kaiserpalast geschehen sollen?«, lächelte der Kaufmannssohn.
    »Man sagt, der Palast sei im Grunde der gefährlichste Ort, an dem man sich in Konstantinopel befinden kann. Gefährlicher als die Gegend um die Burg der Sieben Türme oder so manche halb verfallene, finstere Gasse, die es hier geben mag.«
    »Wenn die Herrin des Hauses di Lorenzo das sagt, wird es sicher stimmen«, lächelte er. »Ich bin ja ein Fremder hier.«
    Erst jetzt bemerkte sie den eigenartigen, sehr scharfen Geruch, der Wolfhart anhaftete. Einen Geruch, der ihr im Sturm des Wiedersehens zunächst nicht aufgefallen war.
    Aber der scharfe Duft, von dem Wolfharts Kleider durchdrungen waren, hatte eine ganz besondere, für Maria auf ewig unvergessliche Note. Der Hauptbestandteil waren ätherische Öle. Maria wurde sofort an die Stoffbinden erinnert, die Medicus Cagliari getragen hatte, als er seine Untersuchungen bei ihr durchgeführt hatte. Aber da war noch eine andere Nuance. Rattenpisse!, durchfuhr es sie. Die ätherischen Öle überdeckten diesen Geruch aber größtenteils.
    »Wie war es bei Eurem Meister-Medicus?«, fragte Maria.
    »Über das meiste darf ich nicht sprechen.«
    »So geheim?«
    »Alles, was dieser große Medicus tut, scheint der Geheimhaltung zu unterliegen. Teilweise kenne ich die Gründe, teilweise sind sie mir noch verborgen. Aber ich bin überzeugt davon, dass Fausto Cagliari seinen Ruf nicht von ungefähr hat. Wenn jemand dem Wesen des Schwarzen Todes wahrhaftig auf der Spur ist, dann er! Und wie es scheint, werde ich an seinen künftigen Entdeckungen teilhaben dürfen.«
    »Du sagst das sehr …«
    »… demütig!«
    »Ja!«
    »Angesichts all dessen, was wir nicht wissen, kann man nur demütig sein – genauso wie der Mut derer, die Meister Cagliari zur Seite stehen und sich der Gefahr aussetzen, selbst vom Schwarzen Tod geholt zu werden, mich nur in Demut

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