Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)
zu halten. Es kommt daher zu einem Oszillieren zwischen Phasen der Aufmerksamkeit und Phasen des Abdriftens. Mit zunehmender Übung verschiebt sich das Verhältnis dieser Phasen, weil die Aufmerksamkeit länger auf der Atmung gehalten werden kann und das Abdriften schneller bemerkt und beendet wird.
Zu Beginn der Meditation besteht die Aufgabe zunächst darin, die Selbstkontrolle der Aufmerksamkeit systematisch zu trainieren. Im Rahmen dieser Anleitung wird dies als Basiskompetenz betrachtet, die für spätere Techniken eine wichtige Voraussetzung darstellt. Die Schulung der Konzentrationsfähigkeit kann jedoch auch für sich genommen bereits ein angestrebtes Ziel sein, wenn beispielsweise Aufmerksamkeitsdefizite vorliegen (Zylowska et al., 2009) oder ganz allgemein die Selbstkontrolle erhöht werden soll (Seer, 1986). Bei den beteiligten neuronalen Schaltkreisen im Gehirn handelt es sich um Aufmerksamkeitsnetzwerke, deren Leistung durch Training gesteigert werden kann (Jha et al., 2007). Inzwischen liegt eine Reihe von Studien mit bildgebenden Verfahren vor, die belegen, dass durch ein Meditationstraining die Verteilung von Aufmerksamkeitsressourcen verbessert werden kann (Lutz et al., 2008 a).
Wahrnehmung von Körpergefühlen
Die Fokussierung auf die Atmung ist mit einer Wendung der Aufmerksamkeit nach innen verbunden. Diese Innenwendung kann durch das Schließen der Augen noch gesteigert werden, weil dadurch potentiell ablenkende äußere Reize wegfallen. Mit der Atmung wird die Aufmerksamkeit in den Körper gelenkt und fördert so das Vermögen, körperliche Empfindungen und Signale differenzierter wahrzunehmen.
Die erste Stufe der Bewusstseinsveränderung durch Meditation, wie sie in dieser Anleitung empfohlen wird, besteht in der erweiterten Wahrnehmung des eigenen Körpers. Abgesehen von Schmerzen oder Hungergefühlen bleiben körperliche Empfindungen oft im Hintergrund. Das Beachten von »Bauchgefühlen« ist jedoch ein wichtiges Element der emotionalen Intelligenz und Intuition (Zeuch, 2010). Daher wird Meditation als ein Mittel angesehen, die Intuition zu fördern (Sadler-Smith & Shefy, 2007).
Im vorderen Inselcortex der rechten Gehirnhälfte laufen zahlreiche Informationen aus dem Körperinneren zusammen und bilden dort eine sogenannte Meta-Repräsentation des gefühlten Leibes. Diese Region ist bei einer Vielzahl von geistigen Prozessen aktiv und hat eine zentrale Bedeutung für unser Bewusstsein (Craig, 2002, 2003, 2004, 2009). Im Kapitel zum Fühlen werden Befunde vorgestellt, nach denen erfahrene Meditierende mehr graue Substanz (Nervenzellen) in der betreffenden Hirnregion aufweisen als Personen von Kontrollgruppen. Außerdem wird darauf eingegangen, welchen Stellenwert das Körpergefühl für die Selbstbewusstheit und als Bezugspunkt für unsere Ich-Identität hat.
Selbstregulation des vegetativen Nervensystems
Ein wesentliches Argument, das für die Atmung als Meditationsobjekt spricht, stützt sich auf den engen Zusammenhang zwischen Atmung, vegetativer Erregung und Emotionen. Eine gleichmäßige, vertiefte Atmung ist eine effektive Methode, innere Ruhe und Entspannung herbeizuführen. Aus diesem Grund betonen klinische Standardverfahren wie das autogene Training oder die progressive Muskelentspannung die wichtige Rolle der Atmung für eine effektive Entspannung, und auch bei der Behandlung von Angststörungen werden in akuten Stresssituationen langsame Atemzüge als natürliches Beruhigungsmittel eingesetzt.
Die Atmung wirkt sich in Form der sogenannten respiratorischen Sinusarrhythmie direkt auf die Herztätigkeit aus: Beim Einatmen schlägt das Herz etwas schneller, beim Ausatmen verlangsamt es sich. Sie können das selbst überprüfen, wenn Sie Ihren Puls am Handgelenk tasten. Die Höhe dieser Schwankungen nimmt bei einer Verlangsamung der Atmung zu. Eine Verlangsamung der Atmung während der Meditation ist ein typisches Phänomen bei Personen, die regelmäßig meditieren (Lazar et al., 2005; Lehrer, 1999). Es wird vermutet, dass eine Synchronisierung von Atem-, Herz- und Blutdruckrhythmen durch langsame, vertiefte Bauchatmung positive gesundheitliche Effekte mit sich bringt und zur Behandlung von Störungen der autonomen Regulation eingesetzt werden kann (Bernardi et al., 2001; Lehrer et al., 2000).
Jüngst fand eine dänische Arbeitsgruppe bei Meditierenden mehr graue Substanz in Kerngebieten des Hirnstamms, die mit der Regulation der Atmung und des Herz-Kreislauf-Systems
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