Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)
Meditationsobjekte beschrieben, auf die die Aufmerksamkeit gerichtet werden kann. In manchen Traditionen werden Meditationssilben oder -sätze (mantras) wiederholt, beispielsweise das bekannte »OM« oder »Herr, erbarme dich meiner«. Andere Techniken arbeiten mit dem Betrachten von Meditationsbildern (mandalas) , dem Starren in eine Kerzenflamme (trataka) oder inneren Vorstellungsbildern. Worauf sollte man sich konzentrieren, oder ist es vielleicht besser, sich auf überhaupt nichts Bestimmtes zu konzentrieren?
Eine wissenschaftlich fundierte Beantwortung dieser Fragestellung erfordert, dass Personen zufällig Gruppen zugeteilt werden, die unter sonst identischen Bedingungen verschiedene Techniken praktizieren. Solche experimentellen Studien zum direkten Vergleich von Effekten sind sehr aufwendig und bisher nur äußerst selten durchgeführt worden (z.B. von Greenfield, 1978). Aus den Ergebnissen lassen sich keine eindeutigen Empfehlungen ableiten, weil die Wirkungen mehr Gemeinsamkeiten aufweisen als Unterschiede. Abgesehen von der Meditationsmethode spielen auch Persönlichkeitsmerkmale, Vorerfahrungen und Vorlieben bzw. Zielsetzungen der Praktizierenden eine Rolle: Eine Methode, mit der eine Person gute Erfolge erzielt, leistet dies nicht zwangsläufig auch für andere Personen.
Aufgrund des beschränkten wissenschaftlichen Kenntnisstandes und der vielfältigen potentiellen Einflussfaktoren ist es derzeit also nicht möglich, zuverlässig vorherzusagen, welche Meditationstechnik für welche Person für den Einstieg optimal wäre. Es gibt jedoch mehrere Argumente, die dafür sprechen, zunächst die Atmung als Meditationsobjekt zu verwenden:
Als biologischer Prozess ist die Atmung ein neutrales Objekt, das keinen religiösen Bedeutungsgehalt aufweist.
Atmung ist mit Bewegungen und Empfindungen verbunden, die das Ausrichten und Halten der Aufmerksamkeit erleichtern.
Mit der Atmung wird die Wahrnehmung von der äußeren Umgebung auf den Innenraum des Körpers gelenkt.
Bei der Selbstregulation von vegetativer Erregung (Entspannung) und Emotionen spielt die Atmung eine herausragende Rolle.
Meditationsübungen mit der Atmung bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Fokus der Aufmerksamkeit und die zeitliche Struktur einer Sitzung zu variieren.
Nachfolgend werden die angeführten Argumente im Einzelnen erörtert.
Stand der Forschung
Atmung als Meditationsobjekt
Als universeller, natürlicher Körpervorgang ist die Atmung – anders als die eingangs erwähnten Mantras und Mandalas – als Meditations-Objekt weltanschaulich neutral und insbesondere auch für religionskritische Menschen akzeptabel. Gerade für Anfänger werden zum Einstieg oft Methoden empfohlen, die sich auf den Atemvorgang beziehen. In der Zen-Tradition wird beispielsweise das Zählen der Atemzüge praktiziert (Kapleau, 1987; siehe unten). Im Yoga bilden verschiedene Atemtechniken eine eigene Übungsstufe (pranayama) , die die Konzentrationsfähigkeit trainiert und für die Meditation vorbereitet (Vivekananda, 1988). Und auch bei den zehntägigen christlichen Exerzitien nach Jalics (2008) steht das achtsame Verfolgen des Atems am zweiten Tag als Einstiegsübung im Mittelpunkt der Meditation.
Die Atmung ist stets als Objekt verfügbar. Der Atemvorgang läuft zwar automatisch ab, kann jedoch sehr leicht bewusst wahrgenommen werden, weil er mit Bewegungen des Zwerchfells und Brustkorbs einhergeht. Zudem treten Empfindungen im Bereich des Naseneingangs auf, die ebenfalls als »Anker« für die Aufmerksamkeit verwendet werden können.
Fokussierung der Aufmerksamkeit
Das erste Hindernis, mit dem sich die meisten Meditationsanfänger konfrontiert sehen, ist die Erfahrung, dass sie ihre Aufmerksamkeit nur für eine relativ kurze Zeitspanne auf einem gewählten Meditationsobjekt halten können. Schon William James (1890) beschrieb das Phänomen, dass wir uns nur für einige Sekunden auf ein Objekt konzentrieren können, wenn dieses sich nicht verändert (oder wir die Perspektive unserer Betrachtung ändern). Bei einem statischen Objekt verlieren wir rasch das Interesse, und die Aufmerksamkeit beginnt abzuschweifen. Nach einiger Zeit bemerken wir dieses Abschweifen und kehren zum Meditationsobjekt zurück.
Die Bewegungen und Empfindungen, die mit der Atmung einhergehen, erleichtern die Fokussierung der Aufmerksamkeit. Durch die Monotonie des Vorgangs ist es aber dennoch nicht einfach, die Aufmerksamkeit kontinuierlich auf die Atmung gerichtet
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