Meer ohne Strand
dem Essen noch hinlegen, was wäre geworden, wenn sie ein Kind von ihm bekommen hätte?
Sie hatte sich das einmal gewünscht. Damals, am Anfang ihrer Liebe, aber er war dagegen gewesen: hatte keine zusätzlichen Verpflichtungen auf sich nehmen wollen, er war todmüde. Seine erfrorenen Füße schmerzten, war es schon Abend? Ihm graute davor, sein Arbeitszimmer zu verlassen. In die Küche zu gehen, mit ihr zu essen. Die Geschichte zu hören, während er kaute: wie der andere sie geschlagen hatte,
»Ich habe es erst am Morgen gesehen. Erst als ich an dem Spiegel in seinem Flur vorbeikam, habe ich die Striemen gesehen, mir wurde mit einmal ganz flau im Bauch. Ganz heiß, es war eine langsame heiße Schwäche, ich habe mich an die Wand gelehnt. Dann habe ich mich auf den Boden gesetzt. Gleich da vor dem Spiegel habe ich gesessen, er hat mir Kaffee gebracht, dorthin, wo ich saß«,
Er konnte sich sagen hören: Bitte sei still. Hörte sich sagen: Natalie, bitte, zieh wieder zurück in deine Wohnung, er war erstaunt. Wollte keinesfalls, daß sie ging. Wollte, daß sie bei ihm war, mußte dann aber weiteressen. Mußte weiter schlucken und weiter zuhören, solange sie blieb, sie sagte: »Es hat nicht mal weh getan, Robert. Ich habe gar keinen Schmerz gespürt, nur seine Hände. Nur Hitze auf der Haut, die ein bißchen brannte, und Überwältigung: als hätte er endlich mit mir geredet. Als hätten mir seine Hände etwas verraten über ihn, ein Geheimnis, das keiner sonst weiß«,
Er sagte: »Bitte zieh aus, Natalie. Von mir aus vögle den Kerl, bis du endlich genug von ihm hast. Laß dich verdreschen, wenn du das brauchst, aber zieh bitte aus.«
Sie schrie ihn nicht an, wie er es erwartet hatte. Wurde im Gegenteil still, starrte ihm ins Gesicht, über die verschmierten Teller hinweg. Suchte nach etwas in seinem Gesicht: war vielleicht deshalb jetzt häßlich, zum ersten Mal. Holte plötzlich tief Luft,
»Wie heißt sie?«
Er verstand nicht, was sie meinte. Sie wiederholte die Frage, er sah den Zorn: der in ihren Augen aufzuwallen begann, heiße Milch in einem Topf,
»Wie sie heißt, Robert. Los! Wie sie heißt, will ich wissen. Die Frau, die du in Amerika gefunden hast«,
Er verstand noch immer nicht. Die Frau, die er gefunden hatte? Sie war bewußtlos. Lag im Koma,
»Im Krankenhaus nennen sie sie die Eisprinzessin«,
Der Zorn sprudelte hoch. Kochte über, überschwemmte ihr Gesicht,
»Verdammt noch mal, gib es doch wenigstens zu! Mach mir doch keinen verdammten Müll vor, gib wenigstens zu, daß du in Amerika eine andere hast! Komm endlich von deinem verdammt hohen Roß runter, du bist doch genau nicht besser als ich, denkst du eigentlich, ich wäre blöd? Was hast du denn dort oben gemacht, in der Nacht? Als du diese Verletzte gefunden hast, da warst du doch auf dem Weg zu einer Frau«,
Zu Julia. Die in der Wild Mountain Lodge auf ihn gewartet hatte,
O Robert, how lovely! Wie wundervoll, du bist zurück, Gott, wir sind ja am Wochenende beim Skifahren! Ach Robert, komm doch auch mit, okay? Bitte, oder sonst fahre ich einfach nicht,
Er hatte zugesagt. War nie in der Lodge angekommen. Hatte nie mehr mit Julia telefoniert, ihr das mit der Eisprinzessinniemals erklärt: hatte nur eine Nachricht an der Rezeption hinterlassen, aber Julia besaß keinerlei Rechte auf ihn! Hatte das gewußt, von Anfang an, er hatte ihr immer die Wahrheit gesagt,
»Du lügst, Robert«,
Natalie schrie jetzt. Klang wie in einem Film,
»Lügst und lügst und lügst und lügst, das ist alles, was du tust«,
Trommelte auf seine Brust, wie in einem Film,
»Lügst sogar, wenn du gar nichts sagst«,
Er hielt ihre Arme fest, bis sie nicht mehr nach ihm schlug. Brachte sie dann ins Bett. Brachte ihr ein Glas Wein ans Bett, stopfte die Bettdecke um sie fest. Hätte jetzt mit ihr schlafen können, wenn er gewollt hätte, ging lieber zurück in die Küche. Räumte die Küche auf, ging in sein Arbeitszimmer. Schlief auf dem Sofa im Arbeitszimmer, ging am nächsten Morgen in sein Büro, als er am Abend zurückkam, war Natalie immer noch da.
Hatte wieder für ihn gekocht. Hatte den Tisch für zwei gedeckt, trug seinen Bademantel, er gab vor, bereits in einer Kneipe gegessen zu haben. Ging in sein Arbeitszimmer, sie kam ihm nach. Sie setzte sich auf das Sofa,
»Robert, ich muß dir was sagen«,
Redete also trotz allem noch weiter. Sah an ihm vorbei,
»Es ist ja nicht, wie du denkst, Robert, es geht nicht um Sex, mit dem anderen. Du mußt mir
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