Meer ohne Strand
das glauben, Robert«,
Sie senkte den Blick. Sah wieder auf, ihm in die Augen,
»Robert, ich muß dir das sagen, ich kriege ja nicht mal einen Orgasmus bei ihm. Ich kann mich nicht gehenlassenbei ihm, verstehst du, er ist meine Verzweiflung, das ist alles. Nur meine Verzweiflung, mein Fels. Das Wirkliche, in diesem Meer von Unwirklichkeit«,
Das also war es: Er war niemals wirklich gewesen. Er, Robert Brauer, hatte für sie niemals existiert,
»In dieser ganzen Schwammigkeit, dieser Leere hier, es ist, als wäre ich nur lebendig, weil ich seinetwegen leide. Solange ich seinetwegen leide, solange es diesen Mann gibt: den ich will und den ich nicht bekomme«,
Sie begann jetzt zu weinen. Er ging zu ihr hinüber, nahm sie in den Arm. Tat das nur, damit sie nicht mehr weinte,
»Robert, du meinst es nicht ernst, oder? Daß wir uns trennen, du meinst das nicht ernst«,
Sie sank gegen ihn, er begann, sie zu küssen. Schob seine Hände unter den Bademantel: der nach ihm roch, nach ihr. War erhitzt jetzt, atemlos. Existierte, küßte ihre Brust. Zog am Gürtel des Bademantels: der auffiel, da waren die Striemen, flammend. Er ließ sie los. Saß einen Moment still neben ihr, stand dann auf. Ging zum Fenster, wartete, bis er endlich ihre Schritte auf dem Parkettboden hörte, das Zufallen seiner Tür.
In den nächsten Tagen kam er kaum nach Hause. Blieb bis in die Nacht im Büro, ging dann mit Bogner in eine Kneipe. Ging zweimal mit einer jungen Architektin aus, die er im letzten Jahr eingestellt hatte, er erwog mehrmals, im Krankenhaus anzurufen. Hatte den Hörer schon in der Hand, legte dann doch wieder auf, Gabriel rief ihn an.
Sie trafen sich zum Essen. Saßen bis in die Nacht in einer Kneipe zusammen, betranken sich mit Rotwein: zumerstenmal, seit das Haus fertig war, Robert berichtete von der Nacht im Schnee. Sprach sachlich, wie vom Erlebnis eines anderen: ohne seinen eigenen Worten nachzulauschen, dennoch konnte er das Frösteln nicht ganz unterdrücken. Das stur in seinen Knochen festhockte, Gabriel sagte: »Du hast dich verändert, Robert. Du bist anders, irgendwie, vielleicht ernsthafter«,
Lachte. Hob sein Glas: wie um die Bedeutung seiner Worte zu mildern, wechselte dann das Thema, es war Robert recht. War er denn nicht schon immer ein ernsthafter Mann gewesen? Wenn er nach Hause kam, ging er Natalie aus dem Weg.
Zog sich ins Bad zurück, in sein Arbeitszimmer, er sah sie selten. Traf sie manchmal im Flur oder spätnachts in der Küche, ihre eigene Wohnung sei zur Zeit untervermietet, sagte sie einmal, es würde noch dauern, bis sie einziehen könnte. Er wußte nicht, ob das stimmte. Sah, daß sie Verschiedenes aus seiner Wohnung fortgeräumt hatte: die Kiste mit ihren Kostümen, ihren Computer, er wußte nicht, ob sie den anderen traf. Erwischte sie einmal im Flur, vor dem großen Spiegel, sie betrachtete die Striemen auf ihrem Körper. Die verblaßt waren zu schillernden Regenbögen, hellblau und grün, violett, ocker, sie fuhr langsam mit den Fingern darüber. Über die Male, die ihren Körper zeichneten: dies war nun ihr Körper.
Unter Jeans, unter Kleidern, Bademänteln würde dies fortan der Körper sein, den sie hatte: auch wenn die Brandnarbe, die Striemen eines Tages völlig verblaßt sein sollten, er wußte ganz sicher, er konnte es nicht.
Konnte keine Frau lieben, die sich dermaßen verletzte. Die sich so gräßlich verletzen ließ, er konnte nicht längerleben mit einer Frau voller Wunden, er bewohnte nur noch sein Arbeitszimmer.
War angespannt, schlief schlecht. Träumte, schreckte hoch. Wollte nicht wissen, was er geträumt hatte, er wartete auf etwas: vielleicht darauf, daß Natalie auszog, der Anruf, als er endlich kam, erreichte ihn im Büro.
»Mr. Brauer? How are you, Mr. Brauer«,
Es war Dr. Mathai. Der junge indische Arzt, die Eisprinzessin war endlich erwacht.
Er flog drei Tage später. Ließ Udo Bogner wieder mit einem Projekt allein: das noch in der Akquise war, Büro und Lagergebäude für einen Großhändler der Bürotechnikbranche. Vielleicht zeigte Robert sein schlechtes Gewissen etwas zu deutlich: Bogner war gekränkt. Wies schnippisch darauf hin, daß es nicht in Roberts Macht läge, den Bebauungsplan endgültig zu verabschieden, sondern ausschließlich in der des Bauamts, Gabriel Phillips, der dazugekommen, als alter Freund einfach in Roberts Büro hineingestiefelt war, grinste. Tippte hinterher in der Kneipe mit seinem Glas an das Roberts,
»Du Romantiker. Gib es doch
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