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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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der Karte zeigte sich die Aktivität der Dämonen als rot pulsierende Bedrohung vor der Westküste von Sanctuary.
    Gib niemals Gefühle zu. Zeige niemals Schwäche.
    »Wie groß ist das Leck?«, fragte Conn ruhig.
    Morgan zuckte die Achseln. »Magma ist noch nicht ausgetreten. Aber die Risse sind tief. Ich konnte die Schwefelsäule schon sehen, noch bevor ich dreißig Meter tief war.«
    Brychan pfiff in offensichtlicher Bestürzung durch die Zähne. »Eine solche Kluft können wir nicht versiegeln.«
    »Nein.« Morgan heftete seinen starren, goldenen Blick auf Conn. »Oder sollte ich besser sagen … nicht ohne Hilfe?«
    Nicht ohne Lucy, die ihrer aller Kräfte bündelte.
    Sämtliche Blicke richteten sich auf Conn, als erwarteten sie, dass er die
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aus dem Hut zauberte, um sie alle zu retten.
    Conn unterdrückte den Impuls, sie anzubrüllen. Sie war fort. Sie hatte ihn verlassen. Er konnte sie nicht retten.
    »Selbst wenn wir diesen Schlot versiegeln, wird es weitere geben«, sagte er. »Es gibt immer Schlote«, entgegnete Morgan. »Zu Tausenden auf dem Meeresgrund.«
    »Aber nicht in solcher Nähe zu Sanctuary«, widersprach Conn. »Dies geht über ein diplomatisches Geplänkel an unseren Grenzen hinaus. Die Hölle zielt auf unser Herz. Die Dämonen können die Schutzzauber auf Sanctuary nicht brechen. Deshalb öffnen sie einen Schlot nur ein paar Kilometer vor unseren Gestaden, damit sich unser eigenes Element gegen uns wendet. Wenn der Schlot ausbricht – und das wird er –, wird uns die Flutwelle überschwemmen. Wir müssen die Flutwelle kontrollieren. Und Sanctuary evakuieren.«
    »Evakuieren?« Enyas Stimme war schrill. »Nein. Ohne Sanctuary sind wir nichts weiter als sterblich. Wir müssen uns unter die Wellen begeben oder altern und sterben.«
    Es hatte Jahrhunderte gegeben, in denen Conn vielleicht den Tod als willkommene Abwechslung in seinem endlosen Dasein begrüßt hätte. In denen er vielleicht seine Verantwortung ausgeschlagen hätte, um dem König ins Land unter den Wellen zu folgen. Aber sich einschüchtern und besiegen zu lassen und alt zu werden, in dem Wissen, dass sein Tod der Untergang seines Volkes war … Zu sterben in dem Wissen, dass er Lucy nicht wiedersehen würde …
    Nein, Conn wollte nicht sterben. Nicht jetzt.
    Er holte Luft. Atmete aus. »Aus diesem Grund werden die Wächter auch bleiben«, sagte er. »Um die Insel zu halten, wenn wir können. Und zu fallen, wenn wir müssen.«
    Griff sah ihn unverwandt an. »Und wenn wir scheitern?«
    Dann hätte er sein Leben und seine Liebe verspielt.
    »Dann vertrauen wir darauf, dass wir in den Gezeiten wiedergeboren werden«, antwortete Conn. Er betrachtete die wenigen versprengten blauen Funken auf der Karte, einen Geschmack wie von Asche im Mund. »Die Jüngsten werden überleben. Zusammen mit denen aus unserem Volk, wie viele es auch sein mögen, die noch immer in der See oder unter den Wellen leben.«
    »Aber wie überleben?«, fragte Brychan.
    »Im Hafen ist ein Boot«, sagte Conn. »Iestyn kann es segeln.«
    »Wozu ein Boot?«, fragte Enya. »Warum können sie sich nicht einfach verwandeln?«
    »Bei günstigem Wind wird das Boot sie von der Küste wegbringen. Und es gibt Dinge auf Sanctuary, die ich gern retten würde und die sie mitnehmen könnten.«
    Morgan hob eine Augenbraue. »Wir treiben dahin, wie die See dahintreibt. Wir haben kein Bedürfnis nach Besitz. Was die Brandung erfasst, können wir uns aus den Tiefen zurückholen. Was würdet Ihr aus Caer Subai mitnehmen wollen?«
    Conn sah sich im Turmzimmer um, in dem er schon gelebt und geherrscht hatte, bevor die
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gen Westen geflohen waren und Britannien von den Römern und Wikingern und Mönchen überrannt worden war. Der Raum war mit allen möglichen Schätzen möbliert; sein Tisch etwa stammte aus einer spanischen Galeone und die Laterne in Form eines Fischs aus dem Tempel des Enki.
    Was würde er von all diesem Bergungsgut der vergangenen Jahrhunderte retten wollen?
    »Meinen Hund«, sagte er.
    Eine verlegene Stille trat ein.
    »Wie … menschlich von Euch«, bemerkte Enya schließlich.
    »Der Schöpfer gab uns auch die menschliche Gestalt«, erwiderte Conn. »Vielleicht ist es nur unser Stolz, der uns unsere menschlichen Neigungen leugnen lässt.«
    »Viel Gutes haben uns diese Neigungen getan«, sagte Morgan.
    Und wieder Stille.
    Ronat räusperte sich. »Es gibt keine Spur von der
targair inghean

    »Nein«, antwortete Conn knapp.
    Griff knurrte. »Nun

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