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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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auf dem Fuße. Sie setzten ihre Last ab und drehten sich zu ihr um.
    Jungen.
Sie stieß die Luft aus. Es waren Jungen – sechzehn Jahre alt? Siebzehn? – in langen weißen Hemden und zerlumpten Shorts, der eine groß und breit mit dunklem Haarschopf und streitlustigem Gesicht.
    Ein ganz harter Bursche,
dachte Lucy mit dem Instinkt der Lehrerin und dem Anflug eines Lächelns.
    Sein Gefährte war drahtig und schlank und der Größe der Hände und Füße nach zu urteilen noch nicht ganz ausgewachsen. Unter einem Büschel lohfarbenen Haars hervor beobachtete er sie aus Augen, die so wachsam und golden wie die des Hundes waren.
    Er stieß den Schrankkoffer mit einem Fuß an. »Der Vogt meinte, Sie brauchen etwas zum Anziehen.
    Sie schluckte. »Ja. Danke.«
    Der Größere trat unbeholfen von einem Bein auf das andere. »Es ist noch mehr da.«
    »Noch mehr Kleider. Wenn die hier Ihnen nicht passen.« Der Blonde runzelte die Stirn in offensichtlicher Besorgnis. »Sie sind größer als Miss March.«
    »Miss March?«, fragte Lucy vorsichtig.
    »Sie war unsere Lehrerin.«
    War?
»Und was ist mit ihr passiert?«
    »Sie ist alt geworden.« Ein Mädchen ließ sich hinter den beiden Jungen vernehmen.
    Sie ist so alt wie die beiden,
dachte Lucy.
Vielleicht auch etwas älter.
Bei Mädchen war das schwer zu sagen. Sie hatte seidiges, nerzbraunes Haar und einen breitlippigen Schmollmund.
    »Sie ist gestorben«, sagte der große, dunkelhaarige Junge.
    »Das tut mir leid«, erwiderte Lucy.
    Das Mädchen zuckte die Achseln. Ihre Augen waren blau und verächtlich. »Sie war ein Mensch.«
    Diese gleichgültige Herabsetzung erschreckte Lucy.
Sie
war auch ein Mensch. Hieß das …
    »Sind Sie Lehrerin?«, wollte der Blonde wissen.
    »Ich …« Lucy raffte ihre abschweifenden Gedanken zusammen. »Ja.«
    »Wir brauchen keine Lehrerin mehr«, wandte das Mädchen ein.
    Der Junge funkelte sie an. »Sprich nur für dich selbst.«
    »Schleimer«, stichelte sein Gefährte.
    Der drahtige Teenager ballte die Fäuste. »Idiot.«
    »Glubschauge.«
    »Sagt mir, wie ihr heißt«, unterbrach Lucy. Als ob dies der erste Schultag wäre, der erste Streit auf dem Pausenhof.
    Der harte Bursche sah finster drein; vielleicht gab er ungern vor dem Mädchen klein bei.
    »Iestyn«, antwortete der andere, der mit den seltsam blassen Augen. »Und das ist Roth.«
    Das Mädchen warf den Kopf hoch. »Kera.«
    Sie sah wie ein Model aus, ein Mädchen, das auf erwachsen getrimmt war. Eine schöne Halbwüchsige in einer kurzen, apricotfarbenen Seidentunika, die ihre Arme und den größten Teil ihrer Beine freiließ. Neben ihr fühlte sich Lucy wie eine Vogelscheuche. Sie widerstand dem Drang, die Regenjacke enger um sich zu ziehen.
    »Ich bin Lucy.«
    »Der Vogt meinte, wir sollen Sie Miss Hunter nennen.«
    Sie lächelte aufmunternd. »Ich denke, wir können das ›Miss‹ weglassen. Ich bin nicht so viel älter als ihr.«
    Aus irgendeinem Grund musste der größere Junge lachen.
    Iestyn stupste ihn an, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Der Vogt meinte, Sie sollen es uns sagen, wenn Sie etwas brauchen.«
    Wenn Sie etwas brauchen …
Sie hätte für eine Dusche töten können. Eine ausgiebige, heiße Dusche. Aber sie vermutete, dass in verwunschenen Schlössern keine Wasserleitungen installiert waren.
    »Vielleicht … ein Feuer?«, schlug sie hoffnungsvoll vor.
    Iestyn nickte. »Wir haben Holz mitgebracht. Und Wasser für Ihr Bad.«
    »Der Prinz sagte, dass Sie sicher baden wollen«, ergänzte das Mädchen. Kera.
    Conn hatte für sie ein Bad bestellt.
    Etwas mitten in Lucys Brust wurde weich. Das war aufmerksam. Es machte ihre Entführung nicht wieder gut, natürlich nicht, aber sie wusste die Geste doch zu schätzen.
    Roth kehrte mit einem Bündel Treibholz zurück und ließ es vor dem leeren Kamin polternd fallen.
    Lucy regte sich. »Ich kann das machen.« Sie schob Madadh aus dem Weg und kniete sich vor den kalten Steinkamin.
    Während sie Holz und Kienspäne hineinschichtete, eilte Kera aus dem Raum, um ein paar Handtücher zu bringen, bevor sie erneut verschwand. Iestyn und Roth zerrten eine Kupferbadewanne herein, die groß genug war, dass man darin sitzen konnte, und Eimer voll klaren, heißen Wassers. Ein schwacher Schwefelgeruch stieg mit dem Dampf auf.
    Lucy erschauerte vor Kälte und Vorfreude. »Musstet ihr das ganze Wasser kochen?«
    Iestyn grinste und bückte sich, um das Feuer in Gang zu bringen. »Nein, tief in den Felsen unter dem Schloss ist eine Quelle.

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