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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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persönlichen Bereich mit fest verwurzelten Füßen und angewinkelten Ellbogen. Selbst wenn sie sich zu einer Ratssitzung zusammenfanden, blieben die Selkies Einzelgänger. Und verteidigten ihr Revier.
    Die blutrote Sonne malte pinkfarbene Rechtecke auf den Boden und den Tisch, doch die Karte bedurfte keiner Beleuchtung. Auf dem schweren Pergament glänzten stecknadelkopfgroße Lichtpunkte wie Sternbilder, die vom Himmel gefallen waren. Jeder leuchtende Punkt stand für die Energie eines Elementargeistes.
    Das weiße Strahlen der Engel verlor sich in den großen grauen Streifen der Menschen, die die Kontinente bedeckten. Aber all die anderen Elementargeister blitzten und blinkten vor Energie, die Conns Magie zum Funkeln brachte: Grün für die Kinder der Erde, das Feenvolk, das sich an wilden Orten, in Wäldern und Bergen zusammenscharte; Rot für die Kinder des Feuers, die an den Verwerfungslinien der Erde aufflackerten; Blau für die Kinder der See, die über die Meere verstreut waren wie Sternenstaub.
    Ohne auf den pochenden Schmerz in seinen Schläfen zu achten, legte Conn seine Hände auf die Karte und konzentrierte sich, bis er die Präsenz des Dämonlords Gau wie ein brennendes Stück Kohle unter seinen Händen spürte.
    Er öffnete die Augen und tippte mit einem Finger auf die Karte. »Gau ist dort. Er kommt von den Verwerfungslinien von
Yn Eslynn

    »Wann?«, fragte Ronat.
    »Bald.« Conn rieb abwesend seine brennende Hand. »Schätzungsweise morgen. Stellt einen Wachposten an der Quelle und einen zweiten am Strand auf, um ihn in Empfang zu nehmen.«
    Enya warf das rote Haar über die Schulter zurück und runzelte die Stirn. »Warum am Strand? Glaubt Ihr, dass er in Menschengestalt erscheinen wird?«
    Anders als die übrigen Elemente hatte Feuer keine eigene Substanz. Da sie keinen physischen Körper besaßen, konnten Dämonen sich mit der Geschwindigkeit von Gedanken fortbewegen. Doch um handeln und sprechen zu können, mussten die Kinder des Feuers eine feste Gestalt annehmen. Die meisten Dämonen fuhren in lebende Wirte. Die mächtigen, wie Gau, konnten den Elementen um sie herum genug Materie entlehnen, um zumindest den äußeren Schein von Lebewesen nachzuahmen.
    »Auf Sanctuary braucht er keinen Menschenkörper«, wandte Griff ein.
    »Nicht, wenn er nur die Absicht hat, zu reden«, konterte Morgan. »Aber wenn er auf einen Kampf aus ist –«
    »Auf unserem Boden würde er ihn nicht suchen«, widersprach Conn. »Ich glaube, dass er sich als Mensch zeigen wird, weil es einfacher ist und um seine Stärke zu demonstrieren.«
    »Und was ist mit unserem zweiten Besucher?«, fragte Enya.
    Conn wurde steif.
    Morgan, der goldäugige, silberhaarige Lord des Finnvolks, legte die Stirn in Falten. »Was für ein Besucher?«
    »Sie tut nichts zur Sache«, wiegelte Conn ab.
    Beim Lächeln zeigte Enya alle Zähne. »Warum habt Ihr sie dann nach Sanctuary gebracht?«
    »Was für ein Besucher?«, wiederholte Brychan.
    »Unser Prinz hat eine Menschenfrau nach Sanctuary gebracht«, erklärte Enya.
    »Daran ist nichts Falsches«, polterte Griff.
    Enya berührte das Wächtermal unter den Perlen an ihrem Busen. »Natürlich nicht. Jeder würde eine Liaison mit einem Menschen genießen. Aber sie hierherzubringen –«
    »Sie ist Atargatis’ Tochter«, sagte Conn.
    Sie alle kannten die Prophezeiung. Eine Tochter aus dem Hause Atargatis’ würde das Gleichgewicht der Kräfte zwischen den Elementargeistern ändern.
    Ronat rieb sich das Kinn. »Ich dachte, sie hätte nur einen Sohn. Dylan.«
    »Dylan ist der einzige Selkie«, erwiderte Conn ausdruckslos. »Und trotzdem fließt auch in den Adern der Tochter das Blut ihrer Mutter.«
    »Aber sie ist ein Mensch«, protestierte Brychan.
    »Ihre Kinder könnten es vielleicht nicht sein«, meinte Griff.
    »Vorausgesetzt, dass sie Kinder bekommen kann«, bemerkte Enya mit einer Stimme, die zum Zerreißen gespannt war wie ein straffes Segel.
    Conn hörte ihren Groll mit Bedauern. Vor langer Zeit hatte die Wächterin ihm ihren Körper angeboten, um ihm einen Erben zu gebären, ein Kind, das ihrer beider Zukunft sichern sollte. Er hatte sich ihrer eine Zeitlang mit all seiner beträchtlichen Geduld und Könnerschaft bedient. Doch ihre Vereinigung blieb unfruchtbar, und nach wiederholten Misserfolgen hatte Enya es nicht mehr ertragen, auf Sanctuary zu bleiben, um schwanger zu werden. Ihre Rückkehr in die See war für sie beide eine Erlösung gewesen.
    »Wir können nicht voraussagen,

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