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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss
Autoren: Virginia Kantra
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verrückterweise habe ich das getan. Das tue ich immer noch.«
    Im Widerspruch zu all ihren Erwartungen und Erfahrungen vertraute sie darauf, dass er sie nicht verlassen würde.
    Sie hielt ihm das schwere Fell entgegen. »Ich weiß es, weil ich dich kenne. Wir sind miteinander verbunden. In alle Ewigkeit, wie du gesagt hast.«
     
    Das nasse Leder von Lucys Stiefeln scheuerte an ihren Knöcheln, als sie den Pfad zum Turm hinaufstieg. Madadh lief voraus.
    Conn hatte darauf bestanden, dass sie mit dem Hund ins Schloss zurückkehrte. Doch als sie den Kamm erreichte, drehte sie sich zu einem letzten Blick auf den Strand um.
    Ihr Geliebter stand am Rande des Wassers, ein Standbild männlicher Schönheit, gegossen in schimmernde Bronze. Die sinkende Sonne polierte die harte Krümmung seiner Schultern, die festen Muskeln seiner Beine und setzte das goldene Medaillon um seinen Hals in Brand. Schaumkronen umspielten seine Füße.
    Lucy hielt den Atem an. Sie drückte sein Hemd an ihre Brust.
    Mit der Eleganz eines Matadors schwang er das Seehundfell durch die Luft, unterstützt von einem Windhauch, der den schweren Pelz emportrug und Lucy das Haar in die Augen blies. Sie zerrte hastig an den wirren Strähnen.
    Conn war fort.
    An seiner Stelle bäumte sich nun ein gewaltiger Seehundbulle am Strand auf.
    Sie biss sich auf die Lippen, um nicht vor Schreck, Schmerz, Staunen und Protest aufzuschreien.
    Er war so groß. Er –
Conn
– war so groß, mindestens doppelt so groß wie als Mann.
    Das Tier –
er
– wälzte sich über die Felsen, plump, unbeholfen und kraftvoll. Das Wasser rauschte heran, ihm entgegen.
    Die erste Welle benetzte seine Flanken. Schon die nächste schlug über seinem Kopf zusammen. Die Brandung explodierte in einem Aufruhr aus Wucht und Bewegung, und dann war er bereits jenseits der Brecher, eins mit dem Wasser und plötzlich anmutig, plötzlich befreit.
    Seine Schönheit schnürte ihr die Kehle zu. Verlangen erfüllte ihre Brust.
    Sie hatte schon früher Seehunde gesehen.
    In Maine.
    Aus der Ferne.
    Sie hatte die geschmeidigen, dunklen Köpfe aus der glänzenden See auftauchen sehen, ohne dass sie dabei an Magie gedacht hätte. Ihre Augen waren groß, weise und rund und menschlich genug, dass sie Legenden hervorbringen oder die Sehnsüchte einsamer Seeleute wecken konnten.
    So zumindest hatte Lucy gedacht.
    Sie hatte sich niemals etwas oder jemanden wie Conn vorstellen können.
    Er tauchte auf und ab mit fließender Kraft und Freude, entfernte sich und nahm Kurs auf das offene Meer.
Wir treiben dahin, wie die See dahintreibt.
    Ihr Gesicht war nass. Sie schmeckte Salz. Gischt oder Tränen?
    Er würde wiederkommen, sagte sie sich mit unerwarteter Heftigkeit. Sie waren miteinander verbunden. In alle Ewigkeit.
    Sie blieb noch lange stehen, das Herz voller Sehnsucht, und blickte auf die See hinaus.
     

[home]
    17
     
    Conns Bettseite war leer und sein Kissen kalt und unbenutzt, als Lucy erwachte.
    Sie rang mit der Decke und ihren Sorgen, während sie sich auf den Bauch drehte. Was hatte sie erwartet? Er war kein gestresster Manager, der nach der Arbeit joggen gegangen war. Er war auch nicht ihr Vater, der nach Hause getorkelt kam, wenn die Bars schlossen.
    Conn war ein Selkie. Er war …
    Ein Kratzen. Ein dumpfer Schlag. Ein Rascheln vom Kleiderschrank her.
    Ihr Herz machte vor Freude und Liebe einen Hopser.
Er war da.
    Sie stemmte sich auf einen Ellbogen hoch und schob sich das Haar aus dem Gesicht. Conn stand vor dem Schrank. Sie erhaschte einen Blick auf seinen nackten Rücken, bevor das Hemd darüberfiel. Sein Seehundfell lag wie ein Teppich vor dem Kamin, und der üppige, dunkle Pelz glänzte in der letzten Glut des Feuers. Sie hielt den Atem an.
    Conn drehte sich um. »Ich habe dich aufgeweckt. Gut.«
    »Du bist wieder da.« Ihre Stimme war heiser vor Schläfrigkeit und Willkommensfreude.
    »Ja.« Er ging rasch zum Bett, das ernste Gesicht entspannt und offen, während es in seinen Augen silbern tanzte. »Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.«
    Sie blinzelte. In dieser Gestimmtheit, so warmherzig und verspielt, erkannte sie ihn kaum wieder. Seine frühmorgendliche Energie weckte den Wunsch in ihr, sich wieder unter die Decke zu wühlen.
    Und ihn mitzuzerren.
    »Ich kann’s kaum erwarten«, sagte sie. »Gib’s mir.«
    Conn grinste wie … okay, nicht wie ein kleiner Junge. Kein kleiner Junge konnte den Mund so unartig wissend verziehen. Aber er sah erstaunlich zufrieden mit sich und ihr aus. Er
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