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Meerjungfrau

Meerjungfrau

Titel: Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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erlegen. Er hat viel Blut verloren. Am Tatort muss es ausgesehen haben wie in einem Schlachthaus.«
    Â»Ist er anschließend sofort im Wasser gelandet?«
    Â»Das lässt sich unmöglich sagen«, antwortete Pedersen. »Ich weiß nur, dass er lange im Wasser gelegen hat. Wahrscheinlich wurde er kurz nach seinem Tod hineingeworfen, aber das hat mehr mit gesundem Menschenverstand als mit wissenschaftlichen Beweisen zu tun. Die fehlenden Puzzleteile zu finden ist euer Job. Ich faxe euch wie immer den Bericht.«
    Â»Und Lisbet? Was hat sich bei ihr ergeben?«
    Â»Sie ist eines natürlichen Todes gestorben.«
    Â»Bist du sicher?«
    Â»Ich habe sie sorgfältig obduziert.« Nun klang Pedersen gekränkt, und Patrik fügte schnell hinzu:
    Â»Du meinst also, sie ist nicht ermordet worden?«
    Â»Korrekt«, erwiderte Pedersen immer noch ein wenig steif. »Wenn ich ehrlich sein soll, war es ein kleines Wunder, dass sie überhaupt so lange gelebt hat. Der Krebs hatte fast alle Organe im Körper befallen. Lisbet Bengtsson war eine sehr kranke Frau. Sie ist einfach eingeschlafen.«
    Â»Kenneth hat sich also geirrt«, sagte Patrik zu sich selbst.
    Â»Pardon?«
    Â»Ach, nichts. Ich habe nur laut gedacht. Danke, dass du dich so schnell darum gekümmert hast. Im Moment brauchen wir jede Hilfe, die wir bekommen können.«
    Â»Wirklich so schlimm?«, fragte Pedersen.
    Â»Ja.«

A lice und er hatten etwas gemeinsam. Sie liebten den Sommer. Er, weil er dann schulfrei hatte und von seinen Peinigern verschont blieb. Alice, weil sie im Meer schwimmen konnte. Fast jede Minute verbrachte sie im Wasser. Schwamm hin und her und schlug Purzelbäume. Alles, was an ihrem Körper sonst hölzern und ungelenk wirkte, verschwand in dem Moment, wenn sie ins Wasser glitt. Hier bewegte sie sich mit Leichtigkeit und Anmut.
    Mutter konnte stundenlang dasitzen und ihr zuschauen. Sie klatschte Beifall über Alices Schwimmkünste und ermunterte sie zu weiteren Übungen. Sie nannte sie ihre Meerjungfrau.
    Doch Mutters Enthusiasmus bedeutete Alice wenig. Sie blickte sich dauernd nach ihm um.
    Â»Guck mal!« Sie machte einen Kopfsprung von der Klippe und tauchte lächelnd wieder auf.
    Â»Hast du das gesehen?«, keuchte sie mit diesem Hunger in den Augen. Aber er gab nie eine Antwort, sondern hob nur kurz den Blick von dem Buch, das er, auf einem Handtuch auf den Felsen liegend, las. Er wusste nicht, was sie von ihm wollte.
    Mutter antwortete für ihn, nachdem sie ihm einen verärgerten und erstaunten Blick zugeworfen hatte. Sie konnte es auch nicht verstehen. Schließlich hatte sie doch Alice all ihre Zeit und Liebe geschenkt.
    Â»Ich habe es gesehen, Liebling. Toll!«, jubelte sie. Doch Alice schien Mutters Stimme gar nicht zu hören. Stattdessen rief sie ihm wieder etwas zu:
    Â»Jetzt guck doch endlich mal, was ich mache!« Sie kraulte in Richtung Horizont. Ihre Bewegungen waren koordiniert und rhythmisch.
    Besorgt stand Mutter auf. »Alice, Liebling. Nicht so weit!« Sie schirmte die Augen mit der Hand vor der Sonne ab.
    Â»Sie schwimmt zu weit raus. Hol sie zurück!«
    Er wollte es wie Alice machen und so tun, als würde er sie nicht hören. Gemächlich blätterte er um und konzentrierte sich auf die Worte, auf die schwarzen Buchstaben auf dem weißen Papier. Plötzlich ein brennender Schmerz auf der Kopfhaut. Mutter hatte ihn am Schopf gepackt und zog kräftig an seinen Haaren. Er fuhr in die Höhe, und sie ließ los.
    Â»Hol gefälligst deine Schwester. Beweg deinen fetten Arsch und sorg dafür, dass sie wieder an Land schwimmt.«
    Einen Augenblick lang erinnerte er sich an ihre Hand, als sie zusammen schwimmen gegangen waren. Er spürte wieder, wie sie losließ und er in die Tiefe gezogen wurde. Seit diesem Tag badete er nicht mehr gern. Wasser hatte etwas Bedrohliches an sich. Unter der Oberfläche gab es unsichtbare Dinge, denen man nicht trauen konnte.
    Mutter griff nach der Speckrolle an seiner Taille und kniff fest hinein.
    Â»Hol sie zurück. Jetzt sofort. Sonst lasse ich dich hier, wenn wir nach Hause fahren.« Ihr Tonfall ließ ihm keine Wahl. Sie meinte es ernst. Wenn er nicht tat, was sie wollte, würde sie ihn hier auf der Insel zurücklassen.
    Mit klopfendem Herzen ging er zum Wasser. Er musste seine gesamte Willenskraft aufbringen, um sich mit den Füßen abzustoßen. Er wagte es nicht,

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