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Meerjungfrau

Meerjungfrau

Titel: Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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links abbog und aus seinem Blickfeld verschwand. Göte beschleunigte den Schritt, so gut es ging, aber das rechte Bein bereitete ihm Schwierigkeiten. Seit dem Schlaganfall machte es nicht mehr richtig mit. Er schätzte sich trotzdem glücklich, denn seine rechte Seite hatte so viel abbekommen, dass die Ärzte ihm wenig Hoffnung gemacht hatten. Sie meinten, seine Bewegungsfreiheit würde auf Dauer schwer eingeschränkt bleiben. Doch sie hatten nicht mit seiner Hartnäckigkeit gerechnet. Dank seinem einmaligen Dickschädel und einem Krankengymnasten, der Göte anspornte, als würde er für die Olympischen Spiele trainieren, machte er jede Woche Fortschritte. Manchmal gab es auch Rückschläge, und natürlich war er oft kurz davor gewesen, aufzugeben. Doch er hatte weitergekämpft und war seinem Ziel Schritt für Schritt näher gekommen.
    Nun ging er täglich eine Stunde mit Rocky spazieren. Sein Gang war ruckartig, und er hinkte stark, aber der Hund und er kamen voran. Bei jedem Wetter wagten sie sich nach draußen. Jeder Meter war ein Erfolg.
    Nun konnte er den Hund wieder sehen. Er schnüffelte an der Badestelle in Sälvik am Strand herum und blickte nur hin und wieder auf, um sicherzugehen, dass Herrchen sich nicht verirrte. Göte nutzte die Gelegenheit, um stehen zu bleiben und zu verschnaufen. Zum hundertsten Mal griff er in seine Tasche, um nachzusehen, ob er das Telefon dabeihatte. Ja, da war es. Sicherheitshalber zog er es heraus und überprüfte, ob es an war und ob er nicht versehentlich den Ton ausgeschaltet oder einen Anruf verpasst hatte. Noch immer hatte sich niemand gemeldet. Ungeduldig steckte er es wieder ein.
    Er wusste, dass er sich lächerlich machte, wenn er alle fünf Minuten sein Handy zückte, aber sie hatten versprochen, ihn zu benachrichtigen, wenn sie ins Krankenhaus fuhren. Das erste Enkelkind. Seine Tochter Ina war fast zwei Wochen über den Termin. Göte war es ein Rätsel, warum seine Tochter und der Schwiegersohn so ruhig blieben. Und ehrlich, er bemerkte schon eine leichte Gereiztheit, wenn er zum zehnten Mal am Tag anrief und fragte, ob es losgegangen sei. Offenbar war er viel aufgeregter als die beiden. In den letzten Nächten hatte er daher größtenteils wach gelegen und abwechselnd den Wecker und das Telefon angestarrt. Solche Dinge kamen doch meistens nachts in Gang. Was, wenn er zu tief schlief und das Klingeln überhörte?
    Er gähnte. Die schlaflosen Nächte forderten ihren Tribut. So viele Gefühle waren in ihm aufgewühlt worden, als Ina und Jesper ihm sagten, dass sie ein Kind bekamen. Kurz nachdem er zusammengebrochen und mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus nach Uddevalla gebracht worden war, hatten sie es ihm erzählt. Eigentlich hatten sie zunächst die Neuigkeit für sich behalten wollen. Es war ja noch so früh, sie hatten selbst erst gerade davon erfahren. Aber niemand glaubte, dass er überleben würde. Als er da an all diesen Schläuchen und Apparaten hängend im Bett lag, wussten sie nicht einmal, ob er sie hörte.
    Aber er hatte sie gehört, kein Wort war ihm entgangen, und seine Sturheit hatte genau das richtige Futter bekommen. Einen Grund, für den es sich zu leben lohnte. Er würde Großvater werden. Seine einzige Tochter, sein Sonnenschein, würde ein Kind bekommen. Da musste er doch zur Stelle sein. Er wusste zwar, dass Britt-Marie ihn längst erwartete, und im Grunde hätte er auch nicht viel dagegen gehabt, loszulassen und sie endlich wiederzusehen. Jeden Tag und jede Minute, seit sie ihn und die Tochter alleingelassen hatte, sehnte er sich nach ihr. Aber nun wurde er gebraucht, und das erklärte er Britt-Marie. Sagte, er könne noch nicht zu ihr kommen, weil die Kleine ihn brauche.
    Britt-Marie hatte Verständnis. Damit hatte er auch gerechnet. Er erwachte wieder aus diesem Schlaf, der so anders und in vieler Hinsicht so verlockend gewesen war, und stieg aus dem Bett. Seitdem machte er jeden Schritt für die Kleine und ihr Baby. Er hatte noch so viel zu geben, und er nahm sich vor, jede geschenkte Minute zu nutzen, um sein Enkelkind zu verwöhnen. Sollten Ina und Jesper ruhig schimpfen. Dieses Großvaterprivileg würde er voll auskosten.
    In seiner Tasche klingelte schrill das Telefon. Er machte vor Schreck einen Satz, weil er so tief in Gedanken versunken gewesen war. Hastig griff er nach dem Handy und ließ es beinahe fallen.

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