Mehr als fromme Wuensche
können aus Schweden lernen, dass viele Väter das als Chance sehen, intensiver Kontakt zu ihrem Kind aufzubauen. Und wir wissen längst, wie wichtig Väter als Bezugspersonen sind, wie viele Jungen dringend männliche Vorbilder brauchen.
Kreative Angebote brauchen wir, wie Kind und Karriere zusammen passen, denn immer weniger Frauen und Männer in unserem Land bekommen Kinder. Nun könnten wir sagen: ist doch ihre Sache! Für viele ist Kinderlosigkeit kein Schicksal mehr, sondern ein Lebensentwurf. Jeder vierte Mann in Deutschland wünscht sich gar keine Kinder. Ja, Kinder verursachen Kosten, nehmen Zeit in Anspruch und sind die wohl letzte lebenslange Bindung, die es bei uns überhaupt noch gibt. Aber Kinder sind auch ein Lebensglück; ich sehe sie als Geschenk Gottes. Familie ist bei allen Schwierigkeiten eine wunderbare Lebensform. Und ein Land mit so wenig Nachwuchs wie Deutschland bekommt Probleme: wirtschaftlich gesehen fehlen bald qualifizierte Fachkräfte, sozialpolitisch gesehen bricht das Rentensystem zusammen.
Es ist an der Zeit, dass Erziehung endlich als Leistung anerkannt wird in Deutschland. Sie gilt weiterhin als „Gedöns“, Kleinkram und eben auch Frauensache. Eine Frau, die ein Kind bekommt, wird schnell als „Mutti“ abgestempelt und muss dann mühsam ins Berufsleben „wieder eingegliedert“ werden. Als hätte sie sich auf einem anderen Stern befunden!
Wenn wir Mut zu Kindern machen wollen, geht es auch darum: junge Leute zum Kind ermutigen, mehr Betreuungseinrichtungen bereitstellen, elternfreundliche Arbeitsplätze anbieten, als Gesellschaft kinderfreundlicher werden, etwa in der Architektur. Ein Bericht der Bosch-Stiftung hat festgestellt: Die Kosten für Kinder sind heute Sache der Eltern. Der Nutzen aber kommt allen zugute, der Staat verdient sozusagen daran. Das kann gezielt geändert werden!
Wir müssen Kinder und Familie endlich zur Chefsache machen. Das Elterngeld jedenfalls ist ein Schritt in die richtige Richtung. – Im Markusevangelium wird erzählt, dass die Jünger fragen, wer der Größte unter ihnen sei. Jesus stellt ein Kind in die Mitte und sagt: „Wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.“ (Markus 9,37) Das war damals und ist auch heute noch eine ungeheure Provokation. Ein Kind, dem keinerlei Rang in der Gesellschaft gebührte und auch heute oft eher als Problem empfunden wird, wird ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Indem Jesus es in die Mitte stellt, zeigt er, dass aus Gottes Perspektive die gesellschaftlichen Strukturen umgekehrt werden. Gerade die Unscheinbaren stehen im Mittelpunkt. Ein Kind wird zum Vorbild. Das gilt auch heute, glaube ich. Denn Kinder lehren uns Zukunftshoffnung und Kreativität, Liebe und Lust am Leben, Verletzlichkeit und die Unterscheidung von Wichtig und Unwichtig. Das ist wichtig für Eltern wie für eine ganze Gesellschaft.
Vertrauen wagen!
A m Jahresende 2005 gab es viel Nachdenklichkeit. Kurz nach Weihnachten 2005 hatte sich an den Küsten Südostasiens die Katastrophe des Tsunami ereignet, die mehr als 200000 Menschen das Leben kostete. Es folgten Wirbelstürme und Fluten in Mittelamerika, die geradezu als Warnung vor der Klimakatastrophe empfunden wurden. Am Ende des Jahres ereignete sich ein schweres Erdbeben in der Kaschmir-Region, Menschen bangten in der Kälte um ihr Leben und das ihrer Kinder. Und auch in Deutschland hatte sich viel ereignet: der Wirbel um die Ankündigung von Neuwahlen, das Ringen um eine zukunftsfähige Koalition und schließlich die Wahl der ersten Frau in das Kanzleramt unseres Landes. Für unsere Kirchen war das Jahr ebenfalls aufregend: Papsttod und Papstwahl, ein großer und beeindruckender Kirchentag in Hannover, Weltjugendtag in Köln, Wiedereinweihung der Frauenkirche in Dresden.
Mit Silvester geben wir jeweils ein Jahr in die Chronik der Geschichte. Ein neues Jahr kommt. Was sollten wir uns am meisten wünschen? Ich denke, vor allem tut Vertrauen Not. Denn wir leiden wohl alle am meisten unter dem grassierenden Vertrauensverlust. Mitarbeiter haben Angst um ihre Arbeitsplätze und vertrauen den Zusagen der Konzernführung nicht mehr. Kinder bangen um ihre Familie und vertrauen nicht mehr, dass die Eltern doch zusammen bleiben. Wählerinnen und Wähler befürchten, dass die Menschen in politischerVerantwortung eher das eigene Wohl als das Wohl des Volkes im Blick haben. Die Menschen in den armen Ländern vertrauen nicht mehr auf die Solidarität der reichen
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