Mehr als nur Traeume
sogar ihr Leben anvertraut.
Nicholas war danach wütend über sie gewesen. Lady Margaret lächelte in Erinnerung daran. Offenbar hatte Nicholas sie im obersten Stockwerk des Hauses in eine schmutzige Zelle eingesperrt, und Dougless war dort oben geblieben, von Flöhen zerbissen, während Lady Margaret mit ihrem Sohn wegen dieser Frau gestritten hatte. Nicholas hatte sie auf die Straße werfen wollen, und wenn sie ehrlich war, mußte sie zugeben, daß er mit seinen Argumenten recht hatte. Aber etwas hatte sie daran gehindert, etwas in ihr hatte sich geweigert, dieses Mädchen auf die Straße zu setzen.
Es war Nicholas, der dann hinaufgegangen war, um das Mädchen zu holen. Er hatte versucht, seiner Mutter »Vernunft beizubringen« (wie er seine hartnäckigen Versuche nannte, immer recht zu behalten, als er plötzlich mitten im Gespräch aufgestanden war, um das Mädchen zu holen).
Lady Margaret lächelte noch breiter, als sie an die absurde Geschichte des Mädchens dachte, daß sie eine Prinzessin des weit entfernten Landes Lanconia sei. Lady Margaret hatte ihr kein Wort geglaubt, aber diese törichte Behauptung hatte ihr einen Vorwand geliefert, das Mädchen in ihrer Nähe zu behalten - trotz Nicholas’ schärfstem Protest.
Diese ersten Tage waren göttlich gewesen. Dieses Mädchen war lebhaft, phantasiebegabt und amüsant über alle Maßen. Selbst ihre Redeweise war erheiternd. Und alle ihre Veranstaltungen hatten sie stets entzückt, verblüfft und fasziniert. Während dieses Mädchen in vielen Dingen unglaublich unwissend war, was Kleider- und Tafelsitten anlangte, war sie in anderen Bereichen wieder ungemein beschlagen. Sie wußte besser in der Medizin Bescheid als ein Arzt und wußte Wundersames über den Mond, die Sterne und die Kugelform der Erde zu berichten. Sie hatte einen kurzen, breiten Stuhl entwickelt, ihn mit Daunen ausgekleidet und dann mit Stoff überzogen, den sie am Holz festnagelte. Sie hatte das Ding einen »Lehnstuhl« genannt und ihn Lady Margaret zum Geschenk gemacht. Dougless wußte es zwar nicht, aber der halbe Haushalt stand beim Anbruch der Morgendämmerung auf, um sich im Garten zu verstecken und sie dabei zu beobachten, wie sie im Springbrunnen badete und einen wundersamen Schaum auf ihren Haaren und ihrer Haut verteilte. Insgeheim hatte auch sie die Wunder in Dougless’ Reisetasche in Augenschein genommen und die kleine Bürste samt der Paste probiert, die Dougless für ihre Zähne benützte.
Oh, dieses Mädchen war in der Tat äußerst unterhaltsam. In gewisser Hinsicht hoffte Lady Margaret, daß sie nie, niemals, dieses Haus verlassen möge.
Aber dann hatte sich Nicholas in sie verliebt. Lady Margaret hatte dies zunächst nicht gestört. Junge Männer verliebten sich häufig. Mit sechzehn war Kit in eine ihrer Kammerfrauen verliebt gewesen. Lady Margaret hatte dafür gesorgt, daß die Frau Kit in ihr Bett nahm und ihm ein paar Dinge beibrachte. Dann hatte sie Kit in die Küchenräume geschickt, wo ihres Wissens nach eine dralle Küchenmagd arbeitete. Binnen einer Woche war Kit in diese Magd »verliebt« gewesen.
Lady Margaret hatte solchen Kummer mit Nicholas nie gehabt. Nicholas mußte nicht erst beigebracht werden, wie man mit einer Frau umzugehen hat. Jahrelang hatte er seinen Körper großzügig verschenkt, jedoch niemals sein Herz.
Sie hätte wissen müssen, daß Nicholas sein Herz nur einmal verschenken würde und dann so gründlich, daß auch hundert hübsche dralle Küchenmädchen es nicht mehr zurückzuholen vermochten. Anfangs war Lady Margaret sogar froh gewesen, daß Nicholas ein so starkes Interesse für Dougless Montgomery gezeigt hatte. Lady Margaret hatte gedacht, daß die rothaarige Frau nicht daran denken würde, den Haushalt der Staffords zu verlassen, wenn Nicholas mit seiner Braut heimkehrte, weil Dougless ihn liebte. Lady Margaret würde den Humor und das Wissen des Mädchens sehr vermissen, wenn sie aus dem Hause schied.
Doch mit der Zeit hatte sich Lady Margaret dann der Einsicht verschlossen, wie groß Nicholas’ Zuneigung zu diesem Mädchen wirklich war. Als Lady Margaret schließlich aus ihrer Gleichgültigkeit erwachte und ihren Haushalt mit kritischen Augen betrachtete, gefiel ihr gar nicht, was sie da sah. Ihr jüngerer Sohn liebte dieses Mädchen in einem Maße, das an Besessenheit grenzte; ihr Ältester sprach davon, daß er das Mädchen reich beschenken wolle; und Kits zukünftige Frau redete nur noch davon, was Dougless alles sagte oder
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